Ich hab mich mal sehr für Fußball begeistert, inklusive jahrelang mit Dauerkarte ins Stadion zu pilgern und die Sportschau am Sonnabend als fixen Termin zu haben. Diese Leidenschaft ebbte allerdings in den letzten Jahren immer mehr ab aufgrund der zunehmenden Kommerzialisierung des Sports. Und die läuft immer mehr komplett aus dem Ruder.

Dass Fußballer am Ende ihrer Karriere zu finanzkräftigen, aber sportlich uninteressanten Vereinen wechseln, um dort noch ein, zwei Saisons ein bisschen zu kicken und sich ihren Ruhestand etwas mehr zu vergolden, ist ja nun nichts ganz Neues mehr, wie man bereits bei Franz Beckenbauers Engagement bei Cosmos New York Ende der 1970er-/Anfang der 1980er-Jahre sehen konnte. Und am meisten Kohle wird zurzeit wohl in Saudi-Arabien rausgehauen für ältere Fußballstars.

Was ich jetzt allerdings gerade gelesen habe im Zusammenhang mit dem Wechsel des Brasilianers Neymar von Paris St.-Germain zum Saudi-Club Al-Hilal, zeigt, dass diese Entwicklung mittlerweile komplett absurde Ausmaße angenommen hat. Und das in vielerlei Hinsicht.

Nicht nur, dass Neymar vor ein paar Jahren mit 222 Millionen Euro Ablöse der teuerste Spieler der Welt war, er ist auch erst 31 Jahre alt, also in einem Alter, in dem man durchaus noch ein paar Jahre auf höchstem internationalem Niveau spielen kann. Dass dies in der Liga in Saudi-Arabien nicht der Fall ist, auch wenn dort einige Altstars kicken, liegt auf der Hand. Allerdings lassen sich die Saudis die Dienste Neymars auch einiges kosten, wie auf der Facebook-Wall von Flashcore zu sehen ist:

  • 3 Luxusautos: einen Bentley, einen Lamborghini und einen Aston Martin;
  • Neymar hat außerdem 4 Mercedes G Wagon sowie einen SUV und einen Mercedes Van gefordert;
  • ein Haus mit 25 Zimmern;
  • einen 40 x 10 Meter großen Pool;
  • 5 Vollzeitarbeitskräfte für sein Haus;
  • eine stets gefüllte Kühltruhe mit seinem Lieblingsgetränk;
  • einen Chauffeur für ihn und seine Lieben 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr;
  • 80.000 € für jeden Sieg;
  • 500.000 € für jeden Beitrag in seinen sozialen Netzwerken, der für Saudi-Arabien wirbt;
  • Al-Hilal wird auch alle Reisen und Freizeitaktivitäten von Neymar bezahlen und alle Ausgaben begleichen, die er in Hotels oder Restaurants tätigen könnte;
  • ein Privatflugzeug für ihn und seine Familie.

Dort findet sich dann auch folgendes Zitat von Neymar zu seinem Vereinswechsel:

Ja, nee, ist klar, da geht es nicht um Geld, sondern um die sportliche Perspektive und die Vorbildfunktion … Die ist vor allem natürlich echt gegeben, wenn er 500.000 Euro für jedes Pro-Saudi-Posting bekommt und damit Imagepflege für die mittelalterliche Kopf-ab-Monarchie dort betreibt.

Denn das ist der Nebeneffekt der ganzen Sache: Das Fußball immer mehr dazu benutzt wird, Leuten ein gutes Image zu verschaffen, war ja schon bei der letztjährigen WM in Katar zu sehen. Genauso wie die Politisierung des Sports oft nur in eine Richtung geht, nämlich in die ewiggestrige, wenn man sich mal an das Theater um die untersagte Regenbogen-Illumination des Münchner Olympiastadions bei der EM 2021 anschaut.

Wer Geld hat, bestimmt, wo’s langgeht. Und sehr viel Geld haben eben meistens nicht gerade die allergeilsten Typen, sondern vielmehr die größten Widerlinge.

Und so kann nun ein Fußballspieler leben wie ein Feudalherrscher mit 80 Millionen Euro Gehalt im Jahr plus dem ganzen oben aufgelisteten Gedöns.

Leute, die ein besonderes Talent haben, sollten meinethalben auch gut bezahlt werden, zumal wenn sie ihren Beruf (wie das bei Sportlern in der Regel der Fall ist) auch nicht allzu lange ausüben können, so in der Regel zehn bis 15 Jahre. Aber das, was Neymar da nun bekommt, geht so weit über jedes Maß hinaus und ist m. E. einfach nur noch pervers – zumal wenn man bedenkt, dass immer mehr Menschen auf dieser Welt in Armut leben und hungern. Bestimmt auch etliche Kids in Brasilien, die mit einem Neymar-Trikot rumlaufen …

Und wenn ihm das immer noch nicht reicht, dann tippt er mal eben „Die Saudis sind ja so toll, alles ist super hier, alle sind glücklich, ich liebe dieses Land“ in seinen Social-Media-Account – und schon bekommt er eine halbe Million extra dazu.

Ein System, was solche Auswüchse produziert, gegen die sich selbst der Feudalismus der französischen Absolutisten bescheiden ausnimmt, ist nur noch krank. Und damit meine ich sowohl den Fußball als auch den Kapitalismus.

Insofern ist Neymar nun doch wenigstens zu etwas zu gebrauchen, nämlich zu dieser Erkenntnis.

Kleine Ergänzung: Gerade hab ich (wieder auf der Facebook-Wall von Flashcore) Folgendes gesehen:

Klar, warum auch nicht? Saudi-Arabien liegt ja auch mitten in Europa - oder etwa nicht?

Aber logisch, wenn die da unter sich in der Wüste kicken, dann interessiert da ja nicht so wirklich viele Leute, da will man dann seine Imagepflege lieber auf der ganz großen internationalen Bühne betreiben.

Nun ist die UEFA, so wie eigentlich jeder größere Sportverband im Fußball, zwar schon korrupt und reichlich unglaubwürdig, aber dann würden die in meinen Augen den letzten Funken an Integrität verspielen, wenn man diesem Ansinnen zustimmen würde. Und damit zeigen, dass Fußball endgültig zur Kasperbühne von dekadenten Milliardären verkommen ist.

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