Es muss auch in Coronazeiten weiterhin möglich sein, Unterricht und Arbeit in Präsenz wahrzunehmen.

Denn ist es schlicht eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, dass alle weiterhin an die Orte gehen können, wo gearbeitet und gelernt wird, sofern die grundlegenden Probleme gelöst sind.

Schule:

Bei Schule ist das alles ziemlich durchdiskutiert worden – und diese Diskussion zeigt auch nach und nach erste Reaktionen der Politik. Aber es reicht halt nach wie vor nicht. Zumal die Kultusministerien darauf gewettet haben, dass alles wieder normal wird – nach Pfingsten, nach den Sommerferien, nach den Herbstferien, nach Weihnachten – und diese Wette verloren haben. Deswegen gibt es keine ernstzunehmenden Konzepte, die der Problematik gerecht werden.

Die Datenflatrate für 10 € pro Schüler:in gibt es zwischenzeitlich bei den Anbietern – buchen können Sie Schulträger und anerkannte Bildungseinrichtungen. Allein – mir ist keine Schule, keine Stadt oder Gemeinde bekannt, die so etwas gebucht hätte.

Da aber eigentlich auch überall Lernmittelfreiheit herrscht, müsste der Internetanschluss aller Schüler:innen spätestens seit Beginn des aktuellen Schuljahrs komplett übernommen werden – von den Schulträgern, ebenso die Hardwareausstattung. Unterricht, Hausaufgaben ohne Internet – kaum mehr denkbar heutzutage.

Darüber hinaus braucht es aber tatsächlich Möglichkeiten für Schüler:innen, auch an anderen Orten zu lernen. Es gibt reihenweise Schüler:innen, die nie gelernt haben, ohne Anleitung Stoff zu erarbeiten und das auch nicht von sich aus können. Für sie braucht es Lösungen – z. B. Kleinstgruppen, die an Orten, die derzeit eh leer stehen, zu lernen. Unter Anleitung von Pädagog:innen und Dozent:innen, bspw. aus der Erwachsenenbildung, die nicht unterrichten dürfen/können, weil ihre Einrichtung geschlossen sind, unter Anleitung von Künstler:innen, die eh froh um Aufträge wären, unter Anleitung von Autor:innen und so weiter. In Hotels, geschlossenen Bibliotheken, geschlossene öffentlichen Einrichtungen und so weiter (die auf diese Art und Weise auch Mieteinnahmen hätten).

Denn Schule ist so viel mehr als ein Lernort, es ist ein Ort sozialen Austausches, es ist aber auch für viele Kinder ein Schutzraum, ein Ort, an dem nicht gestritten wird oder Gewalt herrscht, ein Ort, an dem kein TV-Gerät dauerberieselt oder ein Ort, an dem sich jemand wertschätzend um sie kümmert ein Ort, an dem es wenigstens einmal am Tag etwas warmes zu Essen gibt. Dafür werden keine Alternativen erarbeitet und dafür reicht Fernunterricht und Notbetreuung einfach nicht aus.

Arbeit

Die #Grünen fahren derzeit eine Kampagne unter dem Hashtag #MachtBueroszu. Diese Kampagne beginnt bei der Bundestagsfraktion, umfasst aber auch Landesregierungen.

Die Grünenfraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt fordert ein Recht auf Homeoffice für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer – samt Bußgeldern für uneinsichtige Firmen. »Wir brauchen eine Corona-Arbeitsschutzverordnung, die Unternehmen verpflichtet, überall dort, wo es möglich ist, Homeoffice jetzt auch anzubieten«, sagte Göring-Eckardt der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«.

Dass viel mehr Homeoffice möglich sein könnte, ist keine Frage. Es gibt Arbeitgebende, die das zu verhindern wissen, weil sie Arbeitnehmenden misstrauen oder aber das Geld für entsprechende Ausstattungen nicht ausgeben wollen. Was aber auch nicht banal ist: Serverinfrastruktur muss angeschafft werden, Bandbreite muss vorhanden sein (was so nicht überall, auch in Industriegebieten der Fall ist), es braucht sichere Verbindungen, ausreichend ausgestattete Hardware bei Arbeitnehmenden, Arbeitszeiten müssen irgendwie kontrolliert oder zumindest erfasst werden können.

Leider aber springt die Kampagne zu kurz, denn auch sie ignoriert im Grundsatz, dass ein Arbeitsplatz mehr ist als ein Ort, an dem man Geld verdient. Und ignoriert, dass es mehr als Büroarbeitsplätze gibt in dieser Welt. Oder wie Valerie Wilms, ehemalige grüne MdB es sagt:

Darüber hinaus ist es so, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Arbeitnehmenden in Büroarbeitsplätzen fest angestellt sind. Rund 80.000 Büroarbeitsplätze sind mit eine:r Zeitarbeitnehmenden besetzt. Es ist mit Sicherheit auf die schnelle gar nicht klärbar, wer deren Ausstattung bezahlen sollte. Außerdem ist es utopisch, dass Zeitarbeitende an wechselnden Arbeitsplätzen im Homeoffice arbeiten können. Diese 80.000 Menschen fallen (mal wieder) hinten runter.

Und für viele Arbeitnehmende ist der Arbeitsplatz eben auch der Ort des sozialen Austausches, er ist  auch für viele ein Schutzraum, ein Ort, an dem nicht gestritten wird oder Gewalt herrscht, ein Ort, an dem kein TV-Gerät dauerberieselt oder ein Ort, an dem jemand wertschätzend mit ihnen umgeht, ein Ort, an dem es wenigstens einmal am Tag etwas warmes zu Essen gibt, ein Ort, an dem man sich vielleicht die einzigen Bekannten befinden, die man hat.

Um arbeiten zu können, braucht muss wie beim Homeschooling Raum vorhanden sein, es braucht Ruhe, es braucht einen Arbeitsplatz, bei dem man sich auf das konzentrieren kann, was man tun soll. Und wenn zwei Callcentermitarbeitende in einer Wohnung wohnen – womöglich noch mit unterschiedlichen Schichten – wie soll das gehen? Wie ist das auch hier mit Bandbreite der Internetverbindung? Wer bezahlt die? Wenn prekär gearbeitet wird und fast keine oder gar keine Lohnsteuer bezahlt wird – reicht das Absetzen des Heimarbeitsplatzes halt nicht, dann bleibt der eh schon prekär Arbeitende auf seinen:ihren Kosten sitzen. Was ist mit 450-€-Kräften im Büro. Was mit Freelancern?

Statt dessen könnte man in Arbeitsplätze investieren und deren hygienisch sichere Ausstattung fördern. Trennwände, Raumteilungen, Diversifikation, Anmietung befristeter Büroräume, Co-Working-Spaces, Hygienestandards neu definieren und deren Einhaltung überprüfen, Bereitstellung von FFP2-Masken, Jobshuttles und so weiter und so fort.

All das spricht die Kampagne nicht an, die Initiatorin findet es belästigend, darauf hingewiesen zu werden, all das hat das Bundesarbeitsministerium bisher versäumt aufzusetzen und an der grünen Geschichte ist zudem noch interessant: was tun sie da, wo sie selbst auf Verwaltung Einfluss nehmen könnten? Soweit ich das sehe: nichts.

Richtig ist und bleibt: mehr Leute müssen von der Straße, mehr Homeofficearbeitsplätze sind nötig – aber um das Infektionsgeschehen einzudämmen, braucht es Lösungen für ALLE Arbeitsplätze – nicht nur für den kleinen Teil an nicht prekären Büroarbeitsplätzen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die Einhaltung und Durchsetzung von Hygienestandards an Arbeitsplätzen der Produktion oder Logistik eine permanente Führungsaufgabe ist.

Für Hygienestandards an allen Arbeitsplätzen lohnt es sich dagegen zu kämpfen, sie zu fordern, zu fördern und dafür eine Kampagne zu fahren.