Würd ma den Eberhofer Franz amoi charakterisieren wollen, wie die Eierkepf des nenna tuan, denn würd i so sogn: Der mog hoit ned recht erwachsen werdn, der Franz. Lebt in Niederkoidenkiachen bei de Oma und dem Babba aufm Hof im Saustall (ned, weils do herinnen ausschaugt wie in oanem, sondern weils amoi wirkli a Saustall war. De Babba rauchat oiwei des Gras, was er sölbst anbaun tuat, und Leopold, dem Franz sei Bruader, des is a Schleimsau, is des. Essn tuat der Franz am liabsdn des, was die Oma kochen tuat, am zwoatliebsten die Leberkässemmeln vom Metzger Simmerl. Überhaupt, die Oma! Heans, manchemoi, da denk i, die is goa net schwerhörig. Schlau is sie allemal. Die woaß: So a Bua, egal wie oid, muss oiwei was G'scheits essen. Wos hoaßt: Ois unter 3000 Galorien ist ka Mahlzeit, sondern an Imbiss.
In den Streifendienst homs ean versetzt, den Franz, weil der Birkenberger Rudi, sei Kollege und Spezi aus Minga, einst ahm Pädophilen bei der Verhaftung die Eier weg'schossn hat. Der Rudi is dafür eig'foahn in Stadelheim und den Franz hams hoit zum Dorfschandarm von Niederkoidenkiachen degradiert. Und so foahrda no immer den uroiden Streifenwogn und mit der Uniform nimmt ers aa ned so genau. Mit der Susi aus der Stadtverwaltung, die was sei Gspusi is seit Ewigkeiten, schnackselt er gern amoi umanand, aber heirodn, des muss ned sei.
Dem Eberhofer seine Welt ist kloan, des kannst scho sagen. Hof, Metzger, Büro. Abends zum Wolfi ins Wirtshaus. Immer mitm Simmerl und dem Flötzinger, wos der Gas-Wasser-Heizungspfuscher von Niederkoidenkiachen is und nebenbei an Wommaneiser, a ganz a arger. Und an moi am Tag a Runde mitm Ludwig, wos der Hund ist. Mehr muss ned.
(Switch zu Hochdeutsch) Die elf Romane von Rita Falk um den Eberhofer, die regelmäßig ganz oben auf Bestsellerlisten landen, und inzwischen acht seit 2013 im Jahresrhythmus erschienenen Filme gehören zu den erfolgreichsten deutschen Krimiserien. Wovon ich aber keine Ahnung hatte, weil ich bei Provinz-Krimis und erst recht bei 'Heimat-Krimis' erstmal auf Durchzug schalte und 'Spätzünder' für mich noch eine sehr höfliche Bezeichnung ist. Vielleicht, weil ich eine tiefsitzende Aversion habe gegen alles, was irgendwie als 'Kult' angepriesen wird. Musste erst wieder ein Kollege daherkommen und mich mit der Nase draufstoßen. Besten Dank. Vier Filme waren zum Glück noch aus diversen Mediatheken zu streamen und die ersten beiden Bücher habe ich mir antiquarisch für wenig Geld beschafft.
Und, wie isses so? Sagen wir so: Was die Filme angeht, habe ich mich zwar keine Sekunde gelangweilt, doch bin ich froh, nur vier davon in kurzer Zeit angeschaut zu haben. Weil ich nicht nur ein Spätzünder bin, sondern auch schnell genervt. Die Mixtur aus sehr viel permanenter Gegenwart (alles bleibt irgendwie gleich, exemplarisch zu studieren am Münster-'Tatort') und etwas linearem Erzählen (die Figuren machen Entwicklungen durch, exemplarisch zu studieren am Dortmund-'Tatort') sorgt für eine hohe Dichte an Running Gags, die sich halt auch leicht abnutzen, wenn man sie sich in zu hoher Frequenz gibt. Apropos Gags: Die sind fast alle top inszeniert mit einem untrüglichen Gespür für Timing und vor allem dafür, was nicht gesagt werden muss. Komik - ein seltenes Phänomen im deutschen Filmschaffen.
Uneingeschränkt zu loben sind die Figuren. Die sind zwar fast alle mehr oder minder schräg, aber eben keine Abziehbilder oder platten Karikaturen, sondern haben Tiefe. Wenn Doris Kuhn Franz Eberhofer einen "friedfertigen Menschen" nennt, dann stimmt das bestenfalls teilweise. Eberhofer mag stoisch die diversen Zumutungen des Alltags wahlweise mit Fatalismus oder lakonischem Humor an sich abprallen lassen, aber wenn eine gewisse Reizschwelle überschritten ist, dann ist Schluss mit friedfertig. Und dann hat der Eberhofer Franz so seine Probleme mit der Impulskontrolle und greift schon mal zur Waffe.
Dass in der Provinz hinter adretten Fassaden Abgründe sich auftun, ist ein so alter Hut, dass er schon nicht einmal mehr komisch riecht. Funktionieren tut das noch immer, wenn man das so konsequent und mit eisernem Willen zu schwarzem und absurden Humor durchzieht wie hier. Generalbass der gesamten Reihe ist ein in Bayern oft anzutreffender, überwiegend apolitischer Konservatismus, der weniger rückwärtsgewandt ist, sondern allem Neuen mit größtem Misstrauen begegnet. Wenn es ein bayerisches Lebensmotto gibt, dann nicht "Mia san mia!", sondern "Geh, so a Schmarrn, a neimodischer!". Man lässt sich nicht irremachen, macht weiter wie bisher sein Ding, lässt die Early Adopter, die deppaten, die Anfangsschwierigkeiten und Kinderkrankheiten ausbaden und dann schaut man hoit amoi.
Und so wirkt der Eberhofer Franz wie aus den Achtzigern gefallen: Trägt zum (beigen!) Uniformhemd eine ausgewaschene Jeans mit Nietengürtel, fährt im Audi 80 Streife, kutschiert die Oma zu ihren Sonderangeboten, hört klassischen Hardrock von Kassetten, denkt nicht im Traum daran, seine On-off-Freundin Susi zu heiraten und hängt lieber mit den immergleichen Kumpels herum. Ein melancholischer Peter Pan. Erst recht tut man sich keinen Zwang an mit Feminismus oder gar Wokeness. Die strenge Münchner Kommissarin Mayrhofer wird 'Thin Lizzy' genannt und für den kiffenden Vater Eberhofer ist das gemeinsame Kind von Leopold und seiner thailändischen Frau "so a Mischlingskind". In den Büchern wird es noch deutlicher. Da nennt der Ich-Erzähler Eberhofer das Getue seines Freundes Rudi mehr als ein Mal "weibisch".
Man sollte aber nicht den Fehler machen, die Serie deshalb für reaktionär zu halten oder antimodern. Lisa Maria Potthoff, die in den Verfilmungen die Susi Gmeinwieser spielt (übrigens auch der Nachname einer Figur aus der bayerischen Serie 'Polizeiinspektion 1'), meinte im Interview, da Susi weitgehend damit gescheitert sei, aus Franz einen modernen Mann zu machen, setze sie das jetzt eben beim gemeinsamen Sohn Paul ('Bauli') fort. Wutbürgerliche Protestelei wird eher auf die Schippe genommen. So adelt die örtliche Motorradgang 'Born Rebles' den Rechtschreibfehler im Namen zum Ausdruck ihrer Freiheit.
Schauspielerisch sind da allesamt echte Könner am Werk, was auch für Regie und Drehbücher gilt. Wenn man kritisieren will, dann komme man bitte nicht mit so was wie 'unrealistisch'. Das ist Quatsch. Viel an Fiktion funktioniert, obwohl sie völlig 'unrealistisch' ist oder gerade deswegen. Ist es wahrscheinlich, dass in einem beschaulichen niederbayerischen Provinznest jedes Jahr ein brutaler Mord verübt wird, ohne dass landesweit die Medien Kapriolen schlagen? Ist es glaubwürdig, dass ein Polizeibeamter des Landes Bayern die meisten Dienstvorschriften, vom korrekten Tragen der Uniform bis zum Einsatz der Schusswaffe, locker ignoriert und damit fast immer ohne Konsequenzen durchkommt? Eben. Aber wenn das gut gemacht ist, stört es nicht.
Kritisch anmerken könnte man vielleicht, dass die Kriminalfälle im Prinzip austauschbar sind und nur mehr eine Folie, vor der das fast immergleiche Figurenkabinett seine Kapriolen aufführt. Auch diese Tendenz scheint mir in den Büchern stärker ausgeprägt zu sein. Im ersten Band 'Winterkartoffelknödel' verschwindet der Kriminalfall streckenweise völlig hinter Figuren- und Milieustudien.
Zwei Fragen aber wollen mir schon jetzt nicht aus dem Kopf gehen. Erstens: Warum wurde ich ganz bald schon den Gedanken nicht mehr los, dass die Eberhofer-Krimis geradezu perfekt passen in das Deutschland der Ära Merkel? Und zweitens: Wann gestehen Rudi und Franz sich endlich ihre Liebe ein und heiraten?
Vermutlich, wenn der Schmarrn mit der Ehe für alle nicht mehr a ganz so a neimodischer ist.
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