Berlin - Der Berliner Rechtswissenschaftler und Plagiatsprüfer Gerhard Dannemann hat sich zurückhaltend zu den vom österreichischen Medienwissenschaftler Stefan Weber erhobenen Plagiatsvorwürfen gegen Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock geäußert. "Stefan Weber hat selbst in seinem Blog gesagt, dass er wissenschaftliche Maßstäbe auf ein Sachbuch einer Politikerin übertragen hat. Die Frage ist, ob diese Maßstäbe dieselben sind, und ich würde sagen: Nein", sagte Dannemann dem "Spiegel".

Ein Sachbuch sei keine Kategorie, die eigene Quellenregeln mitbringe, so Dannemann. "Sachbuch bedeutet: Ein Thema im Tatsachenbereich so behandeln, dass es Laien verstehen können. Viel genauer können Sie das nicht definieren. Das Einzige, was für alle Sachbücher gilt, ist deshalb das Urheberrecht."

Die Rechtsprechung habe die Latte für urheberrechtlichen Schutz in der Sachliteratur aber "relativ hoch gesetzt", sagte Dannemann. "Es müssen also Formulierungen sein, die sich deutlich von ihrer Originalität von der Masse abheben, um die erforderliche Schöpfungshöhe zu erreichen. Das ist kein sehr präziser Maßstab, und deswegen lassen sich jetzt auch unterschiedliche Interpretationen denken für jede Stelle, die da plagiiert sein soll."

Zumindest eine von Weber dokumentierte Textstelle in Baerbocks Buch, die Ähnlichkeiten zu einem wissenschaftlichen Artikel aufweist, nannte Dannemann jedoch "urheberrechtlich problematisch". "Urheberrechtsverletzungen können, müssen aber nicht Plagiate darstellen", sagte Dannemann weiter. "Aber das, was Herr Weber dokumentiert hat, kommt bisher nicht annähernd in den Bereich eines Falls, der im VroniPlag-Wiki öffentlich dokumentiert werden würde, ganz abgesehen davon, dass es hier nur um ein Sachbuch geht." Dannemann ist Professor für Englisches Recht sowie britische Wirtschaft und Politik an der Humboldt-Universität Berlin.

Er beteiligt sich seit Jahren am VroniPlag-Wiki, einer Plattform, die wissenschaftliche Arbeiten auf Plagiate prüft.

Foto: Annalena Baerbock (über dts Nachrichtenagentur)

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