Berlin - Anlässlich des 50. Jahrestags des Kniefalls von Willy Brandt in Warschau hat Polens Botschafter Andrzej Przylebski auf eine Lösung des Streits um deutsche Reparationszahlungen für Kriegsschäden gedrängt. "Die Diskussion über mögliche Reparationen hat eigentlich noch nicht begonnen. Es ist leider ein Problem in unseren Beziehungen und es wäre gut, es einmal zu lösen", sagte Przylebski dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Montagsausgaben).

"Wir warten auf Vorschläge." Er würdigte den Kniefall des damaligen Bundeskanzlers vor dem Denkmal des Warschauer Ghettos als wichtigen Beitrag zur deutsch-polnischen Versöhnung, mahnte aber weitere reale Schritte an. Der Kniefall werde "als Zeugnis des Verantwortungsbewusstseins für die Schuld der Deutschen im besetzten Polen gedeutet".

Diese und andere ähnliche Gesten, wie etwa die Entschuldigungen der deutschen Bundespräsidenten für die im Zweiten Weltkrieg an polnischen Staatsbürgern begangenen Verbrechen, seien "natürlich schön und wichtig", sagte Przylebski. "Aber wenn ihnen keine harte organische Arbeit auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen folgt, verblasst ihr Sinn ein wenig." Die Beziehungen zwischen Polen und Deutschland seien ein wenig besser als ihr Ruf, sagte der Botschafter weiter. Sie würden allerdings durch die Unstimmigkeiten über den EU-Rechtsstaatsmechanismus wieder auf eine harte Probe gestellt.

Führende Vertreter der polnischen Opposition wiesen die Forderungen nach Kriegsreparationen zurück. "Teile der Regierungspartei und die nationalistische Presse in Polen machen viel Wind um Reparationen - obwohl die Sache aus rechtlicher Sicht erledigt ist", sagte der ehemalige Außenminister des Landes, Radek Sikorski, dem RND. "Sie versuchen, das Gespenst eines herrschsüchtigen Deutschlands am Leben zu erhalten." Dadurch solle der Eindruck entstehen, "als würde die EU von Deutschland geleitet und alles, was wir an der EU nicht mögen, die Schuld Deutschlands ist", sagte der Europaabgeordnete. Ähnlich äußerte sich Sikorskis Parlamentskollegin Danuta Hübner.

"Die Reparationsfrage wurde von einigen radikalen Politikern aufgebracht", sagte die frühere EU-Kommissarin dem RND. Die Debatte solle jenen Teil der polnischen Wählerschaft beschäftigen, der "immer noch anti-deutsche Vorurteile hegt". Die Debatte werde allerdings nirgendwo hinführen. Denn die polnische Regierung habe "zu viele Fronten mit der EU und Deutschland aufgemacht, um noch eine neue hinzuzufügen", so Hübner. Gleichwohl werde das Thema nicht aus dem politischen Diskurs in Polen verschwinden, sagte die Europaabgeordnete der liberalkonservativen Bürgerplattform PO: "Doch die politische Tragfähigkeit der Sache ist doch ziemlich beschränkt."

Sikorski und Hübner würdigten den Kniefall Brandts vor 50 Jahren als "große Geste der Demut und der Bitte um Vergebung". Sikorski sagte: "Der Kniefall Brandts führte zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und schließlich auch zu einem Prozess der Versöhnung." Dieser Prozess existiere weiter, "obwohl die regierenden Nationalisten in Polen versuchen, ihm zu schaden." Glücklicherweise verfange die nationalistische Propaganda nicht bei allen Polen, fügte der Ex-Außenminister hinzu.

Hübner sprach von einem "Meilenstein auf dem Weg zur deutsch-polnischen Versöhnung". Brandts Kniefall vor dem Warschauer Ghetto-Denkmal sei zu einem wichtigen Bestandteil der europäischen Erinnerungskultur geworden. Sie nannte die Geste des damaligen Bundeskanzlers die "zutiefst persönliche Geste eines Deutschen, der keine eigene Verantwortung für die schrecklichen Taten seiner Nation trug".

Foto: Polnisches Parlament in Warschau (über dts Nachrichtenagentur)

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