Corona und Solidarität        Zweiter Corona-Winter, zweite Weihnachtsferien, in denen sich jede Person für sich Gedanken machen muss: Was kann ich machen, wen kann ich treffen, was ist verantwortlich, was ist legal und was ist legitim? Weil die solidarischen Maßnahmen fehlen. Mit der neuen Regierung wird alles besser? Danke für nichts.

„Geil heute wieder eigenverantwortlich die Pandemie managen“, schreibt die Autorin Ann-Kristin Tlusty am 22. Dezember auf Twitter, und fasst im Prinzip alles ganz gut zusammen. Karl Lauterbach, der neue Gesundheitsminister und Hoffnungsträger aller Vorsichtigen und Vernünftigen in dieser Pandemie, hat einen Lockdown vor Weihnachten ausgeschlossen und Maßnahmen für „später“ angekündigt. Entsprechend irritiert wurde er in vom Tagesschauteam gefragt, ob man denn nicht sofort reagieren müsse, wenn die Gefahr einer weiteren Welle bevorstehe. Eine logische Antwort blieb er schuldig.

Omikron überrollt schon jetzt Deutschland. Immer höher steigt der Anteil der positiven PCR-Tests, bei denen die neue Variante nachweisbar ist (auch wenn bisher nur Bruchteile getestet wurden). Wenn man auch noch nicht alles weiß, eines ist klar: Omikron ist ansteckender und spricht weniger auf die Impfungen an. Modellierer malen verschiedene Szenarien, einmal kommt die „Wand“ an Corona-Infektionen schon mit Beginn des neuen Jahres, einmal erst im Februar – doch sie kommt.

Aber natürlich erst nach Weihnachten, denn, wie wir wissen, hält sich die Corona-Pandemie an christliche Festtage und Familienfeiern. Ja, wir alle haben uns nach einem normalen Weihnachten oder wenigstens ein paar ruhigen Tagen alleine, mit den besten Freund*innen oder mit der Familie gesehnt. Jetzt aber müssen wir uns wieder selbst überlegen, wen, wann, wie viele und wo wir Menschen treffen dürfen, wollen und können, was wir für sinnvoll und legitim, was für absolut notwendig halten. Schon wieder müssen wir mentale Gesundheit und physische Gefahren abwiegen – alleine.

Ich finde das anstrengend. Alle geboostert, alle getestet, alle mehrere Tage kaum Menschen gesehen – kann ich es dann wagen, meine Familie mal wieder zu sehen, die ich zuletzt im Sommer besucht habe? Alle geboostert, alle getestet, alle gesund und jung – kann ich meine Freund*innen daheim, ewig nicht gesehen, dann jetzt besuchen? Schnelltests, Masken, Abstände, und ein bisschen Vertrauen. Wenn nicht mehr geht und man trotzdem nicht weiß, ob man richtig handelt. Wenn staatliche Regeln nicht reichen und Menschen für alle anderen trotzdem mit verantwortlich sind.

Es macht Menschen kaputt. Tut was dagegen – gegen die Pandemie und gegen die Krise.

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