Es scheint so einfach: Auf der einen Seite die böse, profitorientierte Pharmaindustrie, die gemeinsam mit der rückständischen, genau so profitorientierten Schulmedizin gegen die sanfte, preiswertere, freundlich lächelnde Alternativmedizin wettert. Bei genauerem Hinsehen ist jedoch auch hier nicht alles so, wie es scheint.

Erst einmal müssen wir über die Begriffe "Schulmedizin" und "Alternativmedizin" reden. Die Trennung der Begriffe ist nämlich schlicht überflüssig. Tatsächlich stammt sie aus dem 3. Reich. Damals war unsere "Schulmedizin" nämlich "jüdische Schulmedizin" und damit als Feind deklariert. Nun war man gezwungen, nicht nur ein Gegenangebot zu schaffen, sondern auch eine Gegen-Berufsgruppe zu fördern. Diese waren Alternativmedizin und Heilpraktiker. Keine Angst, es liegt mir fern, an dieser Stelle das Selbstverständnis gewissenhafter Heilpraktiker anzuzweifeln. Doch für das Folgende müssen wir wissen, woher die Begrifflichkeiten und vor allen Dingen deren scheinbare Unvereinbarkeit stammen. Denn unvereinbar sind Schul- und Alternativmedizin keineswegs. Beide sind: Medizin. Davon gibt es nur eine.

Humanmedizin befasst sich im weitesten Sinne mit der Erkennung (Diagnostik), Vorbeugung (Prophylaxe) und Behandlung (Therapie) körperlicher und seelischer Erkrankungen des Menschen.

Sie ist ein wissenschaftliches Fach. Damit ist eines klar: Es gibt keine Vorbehalte gegen jedwede Form der Gesundheitserhaltung und Krankheitsbehandlung, solange ihr Nutzen wissenschaftlich bewiesen werden kann. Gleichzeitig leben Medizin, Pflege und Pharmakologie selbst von laufender Selbstoptimierung und davon, ihre eigenen Standards immer wieder aufs Neue auf den Prüfstand zu stellen. Deshalb gibt es keine Schul- und Alternativmedizin. Es gibt nur: Medizin. Medizin ist, was heilt. Ob es das tut, das gilt erforscht zu werden. Bei Asthma wie bei Zwangsstörung, jede Therapie ist zulässig. Dazu gehören auch Akupunktur, etc., solange ihr Nutzen belegt ist.

Problematisch wird es, wenn unter dem Etikett der "Alternativmedizin" wissenschaftlich zweifelhafte "Therapien" angeboten werden, deren Nutzen nicht nur unbewiesen ist, sondern, wie im Falle der Homöopathie, klar widerlegt wurde. Dann hat es mit Medizin nichts zu tun. Auch nicht mit einer Alternative. Dann ist es m.E. schlicht Quacksalberei. Doch es ist ein Markt. Ein Markt, der nicht gerade wenig Geld für die dort ansässige Industrie abwirft. Allein an Homöopathika wurden 578 Mio.€ im Jahre 2019 umgesetzt. Dabei ist aus wissenschaftlicher Sicht unstrittig, das Homöopathie nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkt.

Nun kommt ein weiterer Punkt hinzu, nämlich der der Medikamentenproduktion. Hier wird gern auf "die böse Pharma" geschimpft. Doch ist sie wirklich so böse? Jedes Medikament, das zugelassen wird, wurde ausführlich geplant, erforscht, getestet und erst nach aufwendigem Wirk- und Verträglichkeitsnachweis zugelassen. Dies streckt sich üblicherweise über Jahre.

Das ist nun im Falle der Homöopathie blöd. Verträglichkeit ist gegeben, aber einen akademischen Wirksamkeitsnachweis kann sie nicht bestehen. So müssen die meisten homöopathischen Stoffe nicht zugelassen, sondern registriert werden. Ohne Wirknachweis.

Die Pharmaindustrie steckt Milliarden um Milliarden in die Medikamentenforschung , um Präparate zu entwickeln, die spezifisch bei Erkrankungen helfen. Diese müssen geplant, beforscht, getestet, evtl. verworfen und letztendlich zugelassen werden. Parallel werden unter dem Etikett "Alternativmedizin" Produkte verkauft, deren therapeutischer Wert nicht über einer Tüte Haribo liegt.

Das klingt nun so gar nicht nach einer kleinen, freundlich lächelnden Alternative, oder? Das klingt eher nach... Wie soll ich es sagen?
...Beschiss!

Das ist übrigens der Grund, aus dem bestimmte Medikamente teuer sind, andere jedoch nicht (ob 2 Mio. € für Zolgensma von Novartis ethisch vertretbar sind, steht allerdings auf einem anderen Blatt). In jedem Fall müssen zuerst Forschung, Entwicklungszeitraum und auch Fehlprojekte refinanziert werden. Bis ein neues Präparat also Gewinn abwirft, können durchaus ein paar Jahre vergehen. Günstig verkauft werden können nur Produkte, die einen derart breiten Markt abdecken, dass sie auch mit geringer Gewinnmarge profitabel verkauft werden können. Anders ist es in der Alternativ-Schiene: Hier kann mit verhältnismäßig geringem Aufwand und scheinbar geringen Preisen maximaler Gewinn generiert werden. Denn, Überraschung: Auch diese Firmen arbeiten profitorientiert in einem wirtschaftlichen Setting.

Für eine Flasche Globuli, die nichts anderes sind als Milchzuckerkügelchen, bis zu 50€ zu verlangen, ist durchaus unverhältnismäßig. Zumal kein Spektrometer der Welt in der Lage wäre, in diesen Kügelchen auch nur den geringsten Nachweis dafür zu erbringen, dass da noch etwas anderes wäre, als Zucker. Tatsächlich soll es hier auch nicht zum Homöopathie-Bashing gehen, sondern darum, dass das Etikett "Alternativ" zu einfach dazu einlädt, teilweise schwer erkrankte Patienten mit zweifelhaften Maßnahmen zu konfrontieren. Im Schlimmstfall kann dies dazu führen, dass für Eigenbluttherapie und Co. fundierte medizinische Therapien vernachlässigt werden, bis dem Erkrankten nicht mehr geholfen werden kann.

Dagegen gilt es sich zu verwahren. Dagegen stellt sich auch professionelle Pflege, deren Ansatz nicht weniger wissenschaftlich ist, als der der Medizin. Nicht, wer heilt, hat Recht. Hier werden bisweilen zweifelhafte Kausalitäten erzeugt. Was wirkt, hat Recht. So kann ich das stehen lassen.

Quellen:

Phytopharmaka und Homöopathika - Umsatz in Deutschland 2019 | Statista
Die Statistik zeigt den Umsatz mit rezeptfreien homöopathischen und pflanzlichen Arzneimitteln in Deutschland im Jahr 2019.
Medizin - DocCheck Flexikon
Medizin - DocCheck Flexikon
BfArM - Glossar - Homöopathische Arzneimittel
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