Die Diskussion um die Souveränität Deutschlands benötigt eine Versachlichung. Zu wild nähren sich politische Extreme aus ihr.

Was ist die Souveränität eines Staates und seiner Bürger?

Die Definition des Staatsbegriffes speist sich aus Territorium, Nation und einer dort von den Einwohnern geschaffenen Macht und Verwaltung. Das ist grob formuliert und das ist auch bewusst so gehalten, weil alle drei Merkmale sich auch verändern können. Immerhin soll in freien und demokratischen Gesellschaften der so genannte Gesellschaftliche Wandel nicht begrenzt werden. Schon gar nicht von einer wie auch immer gearteten Herrschaft.

So gehört zur Souveränität eines Staates auch der souveräne Bürger, der ja auch im Grundgesetz als „das Volk übt seine Souveränität in Wahlen und Abstimmungen aus“ (GG Art 20 Abs. 2) definiert wird. Daraus ergibt sich auch, dass die Abgeordneten die Souveränität der Bürger stellvertretend für diese wahrnehmen. Das ist also der innerstaatliche Umgang mit der Souveränität.

Quelle: www.wikipedia.de

Im Außenverhältnis ist ein Staat in sämtlichen Fragen seiner Struktur, Auswahl der parlamentarischen Vertretung, der Währung, des Wirtschaftssystems, der Landesverteidigung, der Sprache, der Bildung, der Kultur und auch der Erinnerungskultur zunächst eigenverantwortlich und keinem anderen Staat gegenüber rechenschaftspflichtig, also souverän.

Wenn Wolfgang Schäuble also 2011 auf dem Frankfurter European Banking Congresssagte, Deutschland sei zu keinem Zeitpunkt nach 1945 voll souverän gewesen, dann weist er auch darauf hin, was vor 1945 war. Dazu gehört die Shoah (der Holocaust), die Verschiebung sämtlicher Landesgrenzen in sämtliche Richtungen (die neutrale Schweiz ausgenommen), die Gleichschaltung im Innern, die Abwesenheit von Meinungs- und Pressefreiheit und alle weiteren Verbrechen der nationalsozialistischen Diktatur.

Daraus ergibt sich ein direkter Zusammenhang zur heutigen Verfasstheit Deutschlands:

Der Beitritt zu zwischenstaatlichen Vertragsgemeinschaften

Schon in den 1950er Jahren ist die Bundesrepublik Deutschland dem westlichen Verteidigungsbündnis NATO (Organisation des Nordatlantikvertrages) beigetreten. Im selben Zeitraum auch der Montan-Union aus der später die EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft), die EG (Europäische Gemeinschaft) und die heutige EU wurden, bei.

Die Teilnahme an KSZE, OSZE, der UNO und einigen anderen Internationalen Vertragsgemeinschaften bedeuten für die Übertragung von Souveränitätsrechten prinzipiell ähnliches wie für die Mitwirkung in NATO und EU.

What is NATO?
An introduction to NATO that provides basic information on what NATO is, member countries, the Alliance’s key activities and how it functions. NATO’s general evolution is shown in video and links to more in-depth information are provided throughout.

Das Souveränitätsrecht auf Landesverteidigung ging mit dem Beitritt zur NATO zum Teil auf die Vertragsgemeinschaft über. Daraus resultiert der so genannte Bündnisfall. Sollte ein NATO-Mitgliedsstaat militärisch angegriffen werden, haben alle anderen Vertragsstaaten die Pflicht, ihren militärischen Partner militärisch zu verteidigen.

Das für sich genommen mag schon ausreichen, die Übertragung von Souveränitätsrechten auf die Vertragsgemeinschaft in einem etwas freundlicheren Licht zu sehen. Aber ein weiterer Zusammenhang mit der Übertragung von Souveränitätsrechten auf die NATO wird selten genannt: Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Übertragung von Souveränitätsrechten auch Mitwirkungsrechte erworben. Bei den NATO-Tagungen diskutiert, berät und beschließt die jeweilige Bunderegierung, vertreten durch die amtierende Verteidigungsministerin, sowie in ernsten Fällen zusätzlich von der amtierenden Bundeskanzlerin. Dem Prinzip der Repräsentativen Demokratie folgend, hat die Bundesrepublik Deutschland also im Bereich der Landesverteidigung weiterhin sämtliche Souveränitätsrechte im Sinne ihrer demokratischen Ausübung in der Hand. Ein Beispiel dafür folgt unter der nächsten Zwischenüberschrift.

Die im Rahmen der Europäischen Vertragsgemeinschaften übertragenen Souveränitätsrechte sehen ebenso die Teilnahme an demokratischen und vertragsgemäßer Mitbestimmung in sämtlichen Gremien und Behörden der EU vor. Das EU-Parlament, die Europäische Kommission usw. sind keine von der demokratischen Mitbestimmung der Bürger Deutschlands entkoppelte „neue Eigentümer unserer Souveränitätsrechte“. Es ist nur eben so, dass wir auf der Ebene „über“ der Bundesrepublik noch die Vertragsgemeinschaften haben, deren Teil wir sind. Das sind wir aufgrund demokratischer Prozesse, deren Teil auch die Willensbildung im Land war. Wer dies ändern möchte, kann sich politisch engagieren und die Rückübertragung von Souveränitätsrechten bewirken, wenn sich im angenommenen Einzelfall herausstellen sollte, dass eine Dysfunktionalität o.ä. vorliegt. Werden aktuell derlei Diskussionen geführt?

Souveräner als wir glauben!

Als Joschka Fischer auf der Münchner Sicherheitskonferenz Donald Rumsfeld mitteilte, „sorry, I am not convinced“ (Verzeihung, ich bin nicht überzeugt), führte dies zum Beweis, dass die Bundesrepublik Deutschland im Bedarfsfall auch mit der Wahrhehmung von Mitbestimmungsrechten in der NATO über auf die NATO übertragene Souveränitätsrechte souverän verfügen kann. Die Bundesrepublik Deutschland beteiligte sich in der Folge nicht am Krieg gegen den Irak. Entgegen der Beschlüsse und Interessen der NATO-Partner. Sicher auch deshalb, weil der Bündnisfall nicht eindeutig nachweisbar vorlag.

https://www.youtube.com/watch?v=CpuN-yM1sZU

Die Souveränität Deutschlands im Wandel

Der Prozess der weiteren Vereinigungsprozesse auf europäischer Ebene, wird zur weiteren Übertragung von Souveränitätsrechten führen. Auch hier wieder unter der Einbeziehung von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten. Dies gilt auch für sämtliche internationalen Vertragsgemeinschaften. Selbst in den G8, G20 u.ä.-Treffen werden souveräne Mitbestimmungsrechte durch die jeweilige Bundesregierung ausgeübt und wahrgenommen.

Selbst wenn sich Verträge auflösen oder durch andere Verträge abgelöst werden, geht dies nahezu automatisch oder besser: selbstverständlich mit dem Erhalt von Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten einher.

Wie all dies ausgestaltet sein wird, hängt auch vom demokratischen Willensbildung im Lande ab. Und dabei ist natürlich entscheidend: Eine Demokratie ohne Demokraten wird nicht lange als Demokratie überleben können. Dementsprechend: Beteiligen wir uns an unserer Demokratie!

Zitat von Willy Brandt: "Wir wollen mehr Demokratie wagen!" (Regierungserklärung 28.10.1969)

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