Sex

Heute schreibe ich einmal über Sex. Was mich dazu treibt, ein mir fachfremdes Thema zu behandeln? Diese, von mir an mich gestellte Frage, lässt sich sehr leicht beantworten. Wie ich aus gut unterrichteten Quellen erfahren habe: Sex sells! Oder um es nicht anglophilen Menschen verständlich zu machen, hier meine freie Übersetzung dazu. Sex ist allgegenwärtig. Meist wird es im Umfeld alkoholischer Getränke ausgeführt. Sex interessiert, Sex entspannt, Sex gehört dazu, wie der morgendliche Kaffee. Alleine schon der Begriff „Sex“ in einer Überschrift und der dazugehörige Text wird gierig gelesen. Wäre dem nicht so, könnten Sie diese Zeilen ja nicht lesen. Nun müssen Sie sich wohl eingestehen, Sie sind nicht anders als andere Leute auch, die sich wer weiß was vorgestellt haben, hier zu finden. Wäre dieser Text mit der Überschrift „Die Dialektik der Extreme im Spannungsfeld der Bronzezeit“ versehen worden, hätte er wohl kaum ein so großes Interesse gefunden.
Die Überschrift entscheidet maßgeblich darüber, ob jemand beginnt einen Text zu lesen. Dies weiß natürlich auch ein Autor, der, wenn er auch inhaltlich nichts zu sagen hat, und nutzt das schamlos aus, nur um Leser so in eine Falle zu locken. Diese literarische Hinterhältigkeit habe ich mir bei der Zeitung mit den vier großen Buchstaben abgeschaut. Dort trifft man in unangenehmer Regelmäßigkeit auf dicke, wenn nicht gar fette reißerische Überschriften, die sich dann im Kleingedruckten als äußerst dünn erweisen. Und wenn die sich das Erdreisten, warum sollte ich dies nicht auch. Aber ich will mal nicht so sein und mir ihren Unmut zuziehen, weshalb ich mich entschieden habe, trotz meines nur rudimentären Wissens über Sex, über Sex zu sprechen. Theoretisch weiß ich einiges, nur in der praktischen Ausübung fehlt es mir an Erfahrung. Zumindest was den Sex mit einer weiteren Person angeht. Mit dem, den ich regelmäßig an mir selbst vornehme bin ich sehr zufrieden und auch erfolgreich. Energieeffizient führe ich ihn täglich bei vollkommener Dunkelheit aus, weil ich ohnehin weiß, wo alles dafür notwendige sich befindet. Dadurch kommen auch keine unnötigen Kosten auf mich zu. Ab und an jedoch, meist zu Geburtstagen oder kirchlichen Feiertagen, gönne ich mir einen inspirierenden Film. Vornehmlich sind dies Tierdokumentationen oder Rosamunde Pilcher Verfilmungen des ZDF. Letztere regen mich wegen ihrer Belanglosigkeit so sehr auf, dass ich es sofort an mir abreagieren muss. Sollte sich jedoch perverses Gedankengut bei mir einstellen, greife ich auf Disneyfilme zurück. Favorit ist hier „Schneewittchen und die sieben Zwerge, wegen der subtilen Gruppenorgienphantasien, die nicht ausgesprochen wird, aber in der Luft liegt. Wenn ein junges unschuldiges Mädchen zu sieben Kerlen in eine Einzimmerwohnung einzieht, dann darf man sie zurecht als Luder bezeichnen. Auch Rotkäppchen, wo ein grimmiger Wolf bereits gierig im Bett der Großmutter liegt, erscheint mir nicht jugendfrei zu sein. Auch Dornröschen legt es darauf an, im Schlaf wachgeküsst zu werden, als ob es keine Smartphones mit Weckfunktion gäbe. Und selbst die sogenannte christliche Seefahrt, ist alles andere als christlich. Dort überall an Bord gibt es Sextanten. Muss ich das wirklich noch näher erklären? Was, deren animalische Aufgabe an Bord zu sein scheint, lässt sich ja wohl bereits am Namen erahnen. Näher möchte ich darauf nicht eingehen, weil mich bei dem Gedanken daran, bereits Bilder in meinem Kopf etabliert haben, die ich nicht mehr losbekomme. Überall, wo man auch nur hinschaut, scheint Sex zu sein. Nur mir scheint es vergönnt zu sein, mich gegen diese Infiltration erfolgreich zur Wehr zu setzen. Kein Wesen, gleich welcher geschlechtlichen Gesinnung, wird jemals die Laken meiner heimischen Schlafstätte zerknüllen. Dies bringt auch einen weiteren ökologischen Vorteil. Das Wechseln meiner Laken kann ich so an die vier Jahreszeiten koppeln. Ob sie nun schmutzig sind oder nicht. Jeweils zum Ersten des Quartals werden sie gewechselt. Mir wird man überflüssigen Wasserkonsum jedenfalls nicht zum Vorwurf machen können. Mein ökologischer CO2 Fußabdruck ist jedenfalls sehr gering, weil ich mich dem Ausfluss von Körperflüssigkeiten, mit mir persönlich Bekannten und ebenso Unbekannten, für alle Zeiten enthalte und entsagt habe. Wenn die Klimakatastrophe sich weiter verstärkt, so kann ich dem beruhigt entgegensehen.
Denn ich habe meinen Teil dazu beigetragen, dass sämtliche Hitzeperioden, Sturmfluten, Vulkanausbrüche in der Eifel, der Anstieg des Meeresspiegels, sowie Tornados und das Sterben der Wälder durch sauren Regen, dank meiner wirkungsvollen Enthaltsamkeit unnötiger Sexualkontakte und deren Folgen, massiv eingedämmt werden. Nur wer meinem Beispiel folgt, hilft mit diese Welt zu retten. Denn zügelloser Sex bedroht unseren Planeten nachhaltig. Hütet euch vor denen, die augenklimpernd und aufreizend ausgestattet, euch wankelmütig machen wollen. Diese Töchter und Söhne Satans wollen euch verführen und diesen schönen Blauen Planeten zerstören. Ein einziges Mal habe ich mich hingegeben und kann sagen: Es war die Hölle.
Darum mein dringender Appell, bildet Selbsthilfegruppen, sucht euch Sexualtherapeuten, Psychologen und Gleichgesinnte. Protestiert und startet Petitionen, damit die Regierung endlich handelt. Die Verwerfungen dürfen nicht so weitergehen. Erhebt euch, denn der Kampf ist noch lange nicht gewonnen. Das ist er erst, wenn die Herbertstraße in Hamburg zur Durchgangsstraße wird und keine Sackgasse mehr ist. Lasst zukünftig auf die Fünf die Sieben folgen und verbannt damit die Sex aus dem mathematischen Alltag. Märzen wir es aus, auch an den anderen elf Monaten. Entfernen wir Sex aus unserem Wortschatz. Wir haben genug andere Wörter, die uns viel Freude bereiten. Rütteln wir gemeinsam die Menschheit auf! Meine Enthaltsamkeit ist nur der Anfang, aber ich gebe euch ein leuchtendes Beispiel. Ich bin der Fels, auf den ihr bauen könnt. Der Leuchtturm in stürmischer See. Die lodernde Flamme in dunkler Nacht. Ich weise euch den Weg in paradiesische Gefilde. Folgt mir in eine neue Zukunft, wo nur noch Milch und Honig fließt. Steht auf und schließt euch mir an. Denn wo ich bin, ist vorne. Erst wenn die Wollust besiegt, ist meine Mission erfüllt.
Und wer jetzt noch an mir zweifelt, dem rufe ich zu: Götz von Berlichingen!

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