Von Jan Szembek.

Heute ist auf tagesschau.de ein Artikel erschienen, der sich mit Publikum beschäftigt: Juhu! oder doch nicht?

Für alle, die Publikum👆 noch nicht kennen: Publikum ist eine offene Publikationsplattform, auf der Schreibende ihre Texte/Artikel veröffentlichen, damit Reichweite bekommen und ihre Inhalte monetarisieren können. Gleichzeitig deckt Publikum die Nachfrage-Seite ab, indem die Leserinnen und Leser aktuelle Nachrichten und Meinungen finden und mittelfristig durch soziale Funktionen, wie Following und Likes, personalisiert die Inhalte präsentiert bekommen, die am relevantesten für sie sind.

Und nun zu der Recherche auf tagesschau.de

Am Dienstag schrieb uns ein Journalist eine E-Mail mit dem Titel "Anfrage von Tagesschau investigativ zu publikum.net". Zunächst freuten wir uns, dass ein so "renommiertes" und reichweitenstarkes (immerhin 75 Millionen Besucher pro Monat, laut Similarweb) Nachrichtenwebportal des ÖRR uns einen Artikel widmet. Dann stach allerdings der Fokus der Nachfragen in der Mail auf einige wenige Artikel hervor, die auf Publikum veröffentlicht wurden von drei verschiedenen Autoren. Und der Enthusiasmus wich auch relativ schnell wieder, da es insbesondere um Falschinformationen ging.

Ich beantwortete dem Journalisten seine Fragen bezüglich Publikum und wir stellten uns darauf ein, dass der Artikel wahrscheinlich sehr kritisch sein werden würde. Gleichzeitig dachten wir uns aber🤔: Ein Journalist bei tagesschau.de wird schon seine Arbeit ordentlich machen und ein ausgewogenes und gut recherchiertes Bild darstellen - besonders, da der Autor Publikum "persönlich für ein gutes und sinnvolles Projekt" hält. (Wir halten die Tagesschau persönlich auch für ein gutes und sinnvolles Projekt 😜 - außer, dass sie vielleicht mit ihrer Präsenz tagesschau.de in direkte Konkurrenz zu privaten Verlagen und anderen nicht beitragsfinanzierten Angeboten tritt und so ihren Auftrag womöglich überschreitet.)

Und so bestaunten wir heute Morgen den Artikel auf der Frontpage von tagesschau.de und wunderten uns über einige, sagen wir mal, Ungenauigkeiten:

Falschinformationen

Kommentierter Screenshot eines Ausschnittes aus dem Artikel

Schauen wir uns einmal einige Punkte an, die als Tatsachen dargestellt werden und so weiterverbreitet werden 😜😜:

Es ist die Rede von einer

""Covid-19-PLANdemie" , die geschaffen worden sei, um "einen Überwachungsstaat zu etablieren""

Es werden so zunächst Zitate aus dem Kontext gerissen, um ein möglichst reißerisches Bild darzustellen: Die beiden Zitate stammen aus zwei verschiedenen Artikeln von zwei verschiedenen Autoren: https://publikum.net/ich-weiss-nicht-was-richtig-ist/, https://publikum.net/vor-der-losung-kommt-die-auflosung-nach-der-niederschliessung-kommt-die-offnung/. Gleichzeitig werden keine Quellen👇😜 angegeben, was eine Nachvollziehbarkeit erschwert. Nichtsdestotrotz hat der Autor natürlich recht mit seiner Kritik zu den Inhalten der Artikel (mehr dazu unten in der Einordnung).

Kommentierter Screenshot eines Ausschnittes aus dem Artikel

Nächste "Ungenauigkeit":

"Ein anderer bezeichnet Frauen, die abtreiben, pauschal als "Egoisten" und "Mörder""

Die Darstellung ist z.T. einseitig/aus dem Kontext gerissen, stimmt so nicht und wird in dem konkreten Beispiel der differenzierten Betrachtung des Autors nicht gerecht (gleichzeitig wird wieder keine Quelle angegeben): https://publikum.net/erst-spass-dann-mord/.

Der Meinung des Autors muss man natürlich nicht sein (man sollte dies allerdings kennzeichnen - besonders als objektiver ÖRR).

"die Sichtung und redaktionelle Gewichtung nach Gutdünken der Macher erfolgt: "Die hochgeladenen Beiträge werden aktuell grob von uns überprüft und bekommen im Zweifelsfall eine geringe Sichtbarkeit beziehungsweise werden gegebenenfalls nicht zugelassen""

Auch findet eine Verkürzung der Fakten statt: Die weiteren Erläuterungen unsererseits auf die Anfrage des Journalisten von tagesschau.de, dass die Inhalte bestimmten Kriterien entsprechen müssen:"Die Inhalte müssen natürlich trotzdem der in Deutschland geltenden Rechtsprechung und auch den Regularien der Plattform entsprechen." wurden verkürzt und umgedeutet in ein "Gutdünken". (Wobei man natürlich anmerken kann, dass auf klassischen Publikationen womöglich auch eine subjektive Redaktion "nach Gutdünken" stattfindet🤔)

"die im Feed" ausgespielten Beiträge würden "von zwei Nachrichtenagenturen dominiert"

Schließlich werden (nennen wir es mal so) Falschinformationen verbreitet: Wir spielen die Inhalte von einer Nachrichtenagentur aus, nicht von zwei.

"die Auswahl der Artikel nach eigenen Kriterien per Freischaltung"

Das stimmt so auch nicht: Alle Artikel landen im Moment automatisch im Feed, wenn sie veröffentlicht werden von den Autorinnen und Autoren. Die "Falschinformationen" sind in den genannten Fällen natürlich nicht sehr gravierend, aber dennoch sind sie falsch (zur Beurteilung von Falschinformationen mehr in der Einordnung unten).

So viel zu den Punkten, die uns in dem Artikel auf tagesschau.de aufgefallen sind. Ironischerweise weist der Artikel selbst einige Punkte auf, die gerade kritisiert werden sollen...

Zudem/Einordnung

Vergütung" dafür spreche ", dass es sich um ein journalistisch-redaktionelles Angebot handelt

Dieser Punkt ergründet sich für uns so nicht: Publikum ist eine Plattform, die in der Creator Economy anzusiedeln ist. Andere Plattformen, wie Twitter und auch Facebook, entwickeln sich in eine ähnliche Richtung, indem es den Nutzern ermöglicht wird, seine Liblingscreator finanziell zu unterstützen. Wir haben uns aber auch schon mit dem genannten Experten in Verbindung gesetzt.

Zudem wissen wir um das Problem des möglichen Missbrauchs durch Falschinformation auf offenen Plattformen und versuchen, das Thema verantwortungsvoll anzugehen. Gleichzeitig haben aber auch wir noch kein Patentrezept für das Thema gefunden -  wie auch die großen Plattformen, Facebook oder Twitter, die auch noch keine Lösung dafür gefunden haben.

Wir vertreten weiterhin die Ansicht, dass es nicht die Aufgabe der Medien - ob Plattform oder klassische Verlagspublikation - sein kann und auch nicht sein sollte, festzulegen, was richtig und was falsch ist. Das muss Aufgabe des Staates sein, am besten in schnellen Verfahren, und die Meinungsfreiheit muss in Zeiten hochgehalten werden, in denen Umfragen zeigen, dass nur 45 Prozent der Befragten noch das Gefühl haben, die politische Meinung in Deutschland könne frei geäußert werden.

Dir gefällt, was Jan Szembek schreibt?

Dann unterstütze Jan Szembek jetzt direkt: