Schon 2023 soll der weltgrösste Windpark vor den Küsten der Niederlande in Betrieb gehen, die Leistung von 1,5 Gigawatt reicht, um rund zwei Millionen Haushalte zu versorgen – ohne staatliche Subventionen. Die Hälfte des Stromes wird allerdings der Chemiekonzern BASF übernehmen. Er hält eine Minderheitsbeteiligung von 49,5 Prozent am Projekt, das vom schwedischen Energiekonzern Vattenfall getragen wird. Es könnte nach Vorstellungen der beiden Firmen das Modell der Energiezukunft sein.
1,6 Milliarden Euro lässt sich der BASF-Konzern den Einstieg in die Windstromproduktoin kosten. Die Firma ist mit einem Umsatz von 59,1 Milliarden Euro und 110'000 Mitarbeitenden in über 80 Ländern der grössten Produzenten von Chemikalien weltweit. Der Konzern möchte seine Treibhausgasemissionen, die etwa einen Fünftel Belgiens entsprechen, auf dem Niveau auf dem Stand von 2018 einfrieren und bis 2030 co2-neutral wachsen. Das hat er in den Jahren 2019 und 2020 geschafft. Nach der Projektion von BASF würde damit bis 2030 der Energieverbrauch, bezogen auf den Output, um «bis zu einem Drittel» abnehmen. Das klingt jetzt nicht sonderlich ambitioniert. Allerdings beruht die Energieversorgung von BASF fast ausschliesslich auf nicht erneuerbaren Energien, hauptsächlich Erdgas. Der Jahresverbrauch für Elektrizität liegt bei 14,8 Millionen Megawattstunden, was etwa dem Doppelten der Stromproduktion des AKW Gösgen entspricht. Nun will BASF mit dem Einstieg in die Windstromproduktion den nächsten Schritt machen – die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. Der Anfang fühlt sich gleich gigantisch an. Vor der Küste der Niederlande soll binnen von nur zwei Jahren der grösste Offshore-Windpark der Welt gebaut werden: «Hollandse Kust Zuid»,ein Projekt des schwedischen Energiedienstleisters Vattenfall, der seinerseits das wirklich ehrgeizige Ziel verfolgt, «binnen einer Generation ein Leben frei von fossilen Brennstoffen zu ermöglichen». 18 bis 36 Kilometer vor der Küste der Niederlande, zwischen Amsterdam und Den Haag, entsteht auf einer Fläche von 225 Quadratkilometer ein Windpark mit 140 Turbinen mit einer Leistung von je 11 Megawatt. Damit soll auch eine beträchtliche niederländische Stromlücke geschlossen werden. Denn bis 2023 soll die Windfarm auf eine Kapazität von 4,5 Gigawatt ausgebaut werden. Aktuell ist es ein Gigawatt. Die Niederlande planen, bis 2024 weitere Lizenzen für Windfarmen mit einer Kapazität von insgesamt knapp 7,5 Gigawatt zu vergeben.
Vattenfall beansprucht keinerlei staatlichen Subventionen, wie es auf der Webseite vollmundig heisst. Diese waren bei der Ausschreibung allerdings auch nicht vorgesehen. Die Investitionskosten für Offshore-Windfarmen seien in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen, heisst es zur Begründung. Es genüge, wenn der Staat die Lizenz erteile und sich um die Anbindung ans Stromnetz kümmere. Die Investitionssumme bleibt im Dunkeln. Bei BASF heisst es, man beteilige sich mit 49,5 Prozent und 300 Millionen Euro, insgesamt liege die Investition bei 1,6 Milliarden, was auf Gesamtkosten von über 2,5 Milliarden schliessen lässt.
Für die beiden Konzerne mache die Firmenpartnerschaft und sei wegweisend für zukünftige Projekte, heisst es bei Vattenfall, um die ambitionierten Ziele zu erreichen und insbesondere die Finanzierung von Grossprojekten auf eine breitere Basis zu stellen. BASF verfolge für die Emissionssenkung den Ansatz, den Strom selber zu produzieren, auch zusammen mit anderen Investoren. Man arbeite an emissionsarmen Technologien, die ab 2030 den Bedarf für erneuerbaren Strom nochmals erheblich würden. Dazu soll der als Rohstoff benötigte Wasserstoff emissionsfrei hergestellt werden und auch die «Steamcracker», die unter grossem Energieaufwand Kohlenwasserstoff in Olefine und Aromate aufspalten, elektrisch beheizt werden. In Planung befindet sich ein weiterer Windpark in der Nordsee. BASF-Chef Martin Braumüller kritisierte auf «faz.net»die komplizierten Regularien in Europa, was den Umbau auf erneuerbare Energien deutlich verlangsame. BASF brauche «noch einige» solcher Projekte, um die angestrebte Klimaneutralität zu erreichen. Schon in fünfzehn Jahren werde der Strombedarf um das Dreifache gestiegen sein.