Bescherung

Die Bundestagswahl hat etwas von einem vorgezogenen Weihnachtsfest. Vorab werden verbal großzügig Geschenke verteilt. Mehr Umverteilung, weniger Steuern oder auch mehr Fördergelder. Da ist für (fast) jeden was dabei. Erst nach der Wahl wird dann die Rechnung aufgemacht, was wir uns denn leisten können. Neue Möglichkeiten zur Einnahme von zusätzlichen Mitteln sind gerne und allseits willkommen. Daher wage ich mich hier mal nach vorne und präsentiere… eine neue Steuer!

Berater

Wir beginnen mit einem kleinen Exkurs. Einer Anekdote. Vor Jahren saßen ein Kollege und ich in einer Besprechung (Meeting) mit einem jungen Berater (Consultant).

Hoppla – ein junger Berater? Handelt es sich dabei um eine Tautologie oder ein Paradoxon? Sind Berater nicht immer jung? Denn wenn sie älter sind, dann sind sie entweder Senior oder Manager oder am Ende gar Executive Partner, wenn nicht sogar bekannt/verwandt mit einem Board Member?

Respektive kann ein Berater paradoxerweise überhaupt jung sein, um einem oftmals älteren Gegenüber einen Rat zu geben oder gar eine Lösung zu empfehlen? Diese Diskussion würde hier den Rahmen sprengen, aber wir lassen den Gedanken mal einwirken.

Kauderwelsch

Zurück zur Besprechung. Wir lauschten also den Ausführungen des redseligen Beraters (Tautologie!?). Aus einem Wirrwarr von nahezu ausnahmslos englischen Begriffen wurde mit zunehmender Dauer des einseitigen Gesprächs ein schier undurchdringlicher Dschungel aus vorgeschlagenen Tätigkeiten (ToDos) und erreichbaren Zielen (Milestones). Eine Formulierung wurde häufiger verwendet und weckte mein Interesse, da sie vorgaukelte etwas mit der tatsächlichen Lösung des Problems oder zumindest einem ersehnten Ende des Gesprächs zu tun zu haben: „Am Ende des Tages“

Da der Berater meine bemüht scharfsinnigen, größtenteils ironischen Wortwitzchen, die ich fortan einstreute, konsequent ignorierte, verkniff ich mir die Anmerkung, dass ich am Ende des Tages meistens im Bett liege.

Irgendwann wurde schlussendlich das im Fortlauf des Austausches immer unklarer werdende Ziel erreicht und wir verabschiedeten uns. Auf dem Weg zurück aus dem Besprechungszimmer in unser Büro fiel meinem Kollegen und mir auf, dass wir – ohne vorherige Absprache – notiert hatten, wie oft der Ausdruck „am Ende des Tages“ verwendet worden ist. Das übereinstimmende und hohe Ergebnis genügte uns als Zeugnis unserer Aufmerksamkeit und als Nachweis des schablonenhaften Wirkens unseres Kontrahenten: 16 Mal

Soweit zur einleitenden Anekdote. Nun noch ein kurzer – gedanklicher – Ausflug in mein Lieblingscafé.

Horchposten

Ich sitze leicht fröstelnd im Außenbereich und schlürfe genussvoll meinen Cappuccino. Da ich allein unterwegs bin, wende ich zur Unterhaltung eine Fähigkeit an, die ich mir in der Vergangenheit bei langen, maskenfreien Bahnfahrten antrainiert habe: Duales Hören. Ich kann parallel mehrere entfernt stattfindende Gespräche verfolgen und mich – je nach Inhalt – ärgern oder amüsieren.

Nun belausche ich also den Überbietungswettkampf zweier älterer Damen. Beginnend von den bisherigen außerordentlichen Lebensleistungen der Kinder, über die sich anbahnenden Nobelpreise der Enkelkinder bis hin zum Schweregrad von Krankheiten gemessen an deren Unheilbarkeit. Ich finde es sehr unterhaltsam und hinreichend geeignet als Idee für eine TV-Show im Vorabendprogramm.

Am Nebentisch ereignet sich ein Dialog zwischen zwei Lehrern, die sich über die Misere der aktuellen, allgemeinen Situation beklagen. Dies wiederum erinnert mich an den Berater und sein „Ende des Tages“. Denn die Lehrer verwenden wiederkehrend die Phrasen: „in Zeiten einer Pandemie“, „seit Corona“, „in Coronazeiten“. Das Phrasenkarussell dreht sich immer schneller und plötzlich traf mich der folgende Einfall wie ein Blitz:

Phrasenschwein

Wir benötigen ein Corona-Phrasenschwein. Eine Coronasteuer. Ein Euro von jedem für jegliche Nennung eines Begriffs aus einer vorab definierten Selektion handverlesener Seuchenwörter. Die positiven Folgen wirken – ähnlich wie bei der Tabaksteuer – in mehrere Richtungen. Die Sanktionierung wird somit exorbitante Summen in die Staatskasse spülen und hoffentlich der andauernden Melancholisierung der Volksseele abträglich sein. Zusätzlich dazu wird es eine geeignete Maßnahme der Entwöhnung sein, die uns schwungvoll auf das Loslassen des Virus einstimmen wird.

Es ist mir bewusst, dass einige meiner Leser umgehend aufjaulen werden. Wieso kommt er denn erst jetzt mit so einer Idee daher? Nach all den Monaten des Jammerns und Klagens. Da sind uns doch Unsummen an Steueraufkommen durch die Lappen gegangen. Den Einwand lasse ich gelten, kontere ihn jedoch mit meinem notorischen Optimismus und dem erhofften Beitrag auf eine baldige Rückkehr zur Normalität.

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Bild von Maitree Rimthong