"Wir essen keine Chips", sagte neulich eine Bekannte auf einer Feier und sieht mich vorwurfsvoll an. Sie sitzt neben ihrem Mann, der nichts sagt.

"Okay", sage ich und nehme die Schüssel, um mir selbst welche rauszunehmen und dann weiterzugehen. Ich mäandere durch die Gäste und frage mich, wann ich das Wörtchen "wir" verwende. Klar, "wir fahren diesen Sommer nach Italien" ist eine Sache. Aber wenn ein Teil des Paares "wir" sagt und damit einfach den anderen Teil des Paares mit einschließt, ohne sich zu versichern, dass dieser andere Teil immer noch dieser Ansicht - worüber auch immer - ist, erscheint befremdlich.

Nächstes Szene: Gemeinsames Kaffeetrinken. Ähnliche Gästezusammensetzung. Auf dem Tisch: Fulminante Torte  - Schwarzwälder Kirsch - Käsekuchen und Schokomuffins. Angeregte Gespräche über dies und das, Geschirrgeklapper.

"Oh Schatz, schon das zweite Stück? Da hat aber einer Hunger", höre ich eine Frau sagen. Ich erstarre. Ungefragt erklärt sie mir, die ihr gegenüber sitzt, mit besorgtem Gesicht, dass diese Torte ja nur aus Zucker und Fett besteht und ganz schön viel Kalorien hat. Sie weiß das, sie hat sie selbstgebacken. Der Mann isst konzentriert und mit gesenktem Blick weiter.  Am liebsten würde ich mein gerade in den Mund geschobenes Stück wieder  auf den Teller fallen lassen, beherrsche mich aber gut erzogen und schlucke, spüle etwas Kaffee nach.  Da kommt noch was. Ich zähle bis drei und tatsächlich: "Wir achten darauf, dass wir nicht so viel Zucker und Fett zu uns nehmen", fährt sie unbeirrt fort und guckt mich herausfordernd an. Was?, denke ich und schaue konsequent an ihr vorbei.

"Warum backst du dann die Torte?", will ich dann doch wissen. Zurecht, finde ich. Und isst sie auch noch? Und vermiest jedem anderen hier gleichzeitig den Genuss?, aber das denke ich nur.

"Männer können kein Multitasking", erklärt sie mir beim gemeinsamen Spaziergang später, als ich meinen Mann anspreche, er aber, fünf Meter entfernt, auf sein Handy guckt. "Das könnense halt nicht", wiederholt sie und will so gerne, dass ich das bestätige. Da kann sie lange warten.

"Und Frauen kein Autofahren. So ist´s, oder?", versuche ich das Ganze ins Lächerliche zu ziehen. Doch sie teilt nicht diese Art von Humor.

"Das meinst du doch nicht ernst?", fragt sie mich mit empört aufgerissenen Augen.

"Ne, ne...", sage ich nur. "Nicht ernst." Ich spare mir jedes weitere Wort.

"Schüttel mich, falls ich mal mit dieser "wir"-Geschichte komme", bitte ich meinen Mann am Abend. Unvermittelt und impulsiv. Er kennt das schon lange.

"Was denn?", fragt er sachlich und guckt von seinem Handy auf.

"Dieses bevormundene "wir", wenn ich eigentlich doch nur für mich sprechen kann.

Er weiß sofort, was ich meine.

"Versprochen! So was machen wir nicht", sagt er und lacht.