Inzwischen ist recht bekannt, dass in der Wissenschaft unbezahlte Mehrarbeit in erschreckendem Ausmaß geleistet wird: Beschäftigte ohne Promotion arbeiten durchschnittlich 13, Beschäftigte mit Promotion 10 Stunden pro Woche mehr, als in ihrem Arbeitsvertrag steht. Im Schnitt also fällt hier etwa eine Woche Mehrarbeit pro Monat an. Es ist klar, dass sich diese Überstunden aufgrund ihres Ausmaßes nicht 'abbummeln' lassen - zumal ohnehin schon viele Urlaubstage verfallen, weil Wissenschaftler*innen in der regulären Arbeitszeit allein ihre zahlreichen Aufgaben nicht bewältigen können. Eine nachträgliche Vergütung ist nicht vorgesehen; auch fällt die tatsächliche Mehrarbeit kaum auf, da es bislang keine Arbeitszeiterfassungspflicht für wissenschaftliche Beschäftigte gibt.

Ein Großteil dieser Mehrarbeit fällt an, weil Wissenschaftler*innen nicht auf vollen Stellen angestellt werden, sondern formal nur Teilzeit arbeiten. Sicherlich gibt es einige, für deren Lebenssituation das ideal ist, weil sie beispielsweise Kinder zu betreuen haben. Problematisch ist jedoch, dass auch Personen, die Vollzeit arbeiten wollen und dies (siehe Überstunden) häufig sogar tun, keine Aussicht auf eine Vollzeitstelle haben, weil Universitäten in manchen Bereichen nur Teilzeitstellen finanzieren und ausschreiben. Die freiwillige (zeitweise) Reduktion von Arbeitszeit ist in der Wissenschaft eher selten. Häufiger ist die Teilzeitstelle für wissenschaftliche Beschäftigte alternativlos, wollen sie in der Wissenschaft überhaupt eine Anstellung bekommen.

Was (unfreiwillige) Teilzeitarbeit bedeutet, muss man sich mit konkreten Zahlen vor Augen führen. Die aktuelle Entgelttabelle des Tarifvertrags der Länder (TV-L) zeigt, dass die Halbierung einer E13-Stelle (das ist die in der Wissenschaft übliche Vergütung) wissenschaftliche Beschäftigte mit und ohne Promotion finanziell Personen gleichstellt, die im öffentlichen Dienst nach E1 vergütet werden - laut Entgeltordnung sind das solche ohne formale Ausbildung und mit "einfachsten Tätigkeiten". Daraus ergibt sich ein Nettolohn von etwas mehr als 1.400 EUR pro Monat (Erfahrungsstufe 1, Lohnstufe I), von denen die Beschäftigten die hohe Miete einer Universitätstadt finanzieren müssen. Während wissenschaftliche Arbeit laut Tarifvertrag in der Tat gut vergütet ist, reduziert sich das tatsächliche Gehalt drastisch, wenn man den hohen Anteil von Teilzeitarbeit in der Wissenschaft mit einrechnet. Das einem dann zustehende Arbeitslosengeld I nähert sich mit ca. 860 EUR stark dem Hartz IV-Satz; auch Elterngeldansprüche fallen entsprechend deutlich niedriger aus als bei einer vollen Stelle.

Und nein: Dies ist nicht nur ein Phänomen, das Promovierende betrifft, auch wenn dort Stellenumfänge von 50 , 65 oder 75 % durchaus die Regel sind. Dass bei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Drittmittelprojekten manche Fächer nur Teilzeitstellen für Promovierende beantragen dürfen (!), während andere Vollzeitstellen ausschreiben können, ist ein von Amrei Bahr unlängst kritisierter Missstand. Promotionsstellen sind deshalb ein komplizierter Fall, weil hier der Anteil eigenständiger Forschungsarbeit sehr unterschiedlich ist und die Grenze zum (Promotions-)Studium fließend sein kann.

Wenn man nur von Teilzeitarbeit bei Doktorand*innen ausgeht, ist diese immerhin am Ende der Promotionszeit vorbei. Problematischer sind deshalb die Teilzeitstellen nach bzw. unabhängig von der Promotion, die es beim Verwaltungspersonal an den Hochschulen ebenso gibt wie beim wissenschaftlichen Personal. Hierbei handelt es sich gar nicht so selten auch um unbefristete Teilzeitstellen. Institute und Fakultäten kämpfen oft jahrelang darum, für ihre Daueraufgaben (z. B. die redaktionelle Betreuung einer Zeitschrift oder die Studiengangskoordination), die das befristete Personal meist auf Qualifikationsstellen miterledigen muss, endlich wieder eine unbefristete Stelle zu bekommen. Sie sind froh, wenn ihnen das gelingt. Dass hierbei aber auch gleich eine Vollzeitstelle entsteht, ist angesichts der chronischen Unterfinanzierung der deutschen Wissenschaft die Ausnahme.

Zusätzlich hat man in den letzten Jahren verstärkt Hochdeputatsstellen eingerichtet, die vorrangig die Lehre unterstützen sollen - davon auch viele unbefristet. Eine gute Sache, sollte man meinen. Nur: Das Lehrdeputat ist teilweise so hoch, dass es die vertragliche Arbeitszeit deutlich übersteigt. Weil man das in den Fächern (trotz des Fehlens von Zeiterfassung) natürlich aus Erfahrung weiß, ist es üblich, die Stellen zu teilen. Auch hat ein Institut, das aus mehreren Abteilungen besteht, ein Interesse daran, diese gleichmäßig mit Geldern oder Stellen zu versorgen. Wenn dem gesamten Institut also eine Hochdeputatsstelle zuerkannt worden ist, führt die Teilung in zwei halbe dazu, dass man zwei Fachbereiche bedenken kann.

Das aber bedeutet, dass Menschen eventuell 30 oder 35 Jahre auf einer halben Stelle im öffentlichen Dienst arbeiten - mit Folgen: Der Rentenanspruch einer exemplarischen 1981 geborenen Person, die im Alter von 25 Jahren ihren Dienst antritt und das durchschnittliche Gehalt der Erfahrungsstufe 3 auf einer halben E13-Stelle bezieht, summiert sich auf ganze 1.007 EUR. Dass man bei diesem Gehalt nicht nebenbei private Altervorsorge betreiben kann, versteht sich von selbst - es sei denn, es sind irgendwelche familiären Rücklagen oder gut verdienende Ehepartner*innen vorhanden. Dieser Umstand muss in den aktuellen Diskussion über die Prekarität wissenschaftlicher Arbeit dringend mehr Berücksichtigung finden. Wissenschaft gibt es nicht zum Spartarif. Wo heute Tarifverträge durch Teilzeitarbeit außer Kraft gesetzt werden, um das Lohnniveau abzusenken, entsteht morgen Altersarmut.