Diesen Samstag, also vor fünf Tagen, habe ich das erste Mal von Clubhouse gehört. Seitdem scheint das soziale Netzwerk überall auf Twitter und Instagram zu sein. Insbesondere viele Nachwuchspolitiker nutzen es. Warum das keine gute Idee ist, schreibe ich hier auf.

Samstag, der 16.01.2021. Die CDU kürt Armin Laschet zu ihrem neuen Vorsitzenden und ich scrolle nichtsahnend auf Twitter rum. Es muss am frühen Nachmittag gewesen sein, als folgender Tweet der SPD-Nachwuchspolitikerin und Influencerin Lilly Blaudszun in meiner Timeline auftaucht:

Interaktives und niedrigschwelliges Live-Podcasting also. Irgendwann schon mal was von gehört, aber dann genauso bei mir in Vergessenheit geraten wie Google+ oder die Ortsfunktion im eigenen Instagram-Profil. Nun also bei der Early Adopterin Lilly Blaudszun. Und seitdem überall.

Moment, was soll das bitte sein? Fragt sich die eine oder andere Leserin vielleicht gerade. Die App Clubhouse gibt es seit einem Dreivierteljahr. Gegründet von ehemaligen Silicon Valley-Mitarbeitern und anfangs nach eigenen Angaben nur mit ein Paar Freunden geteilt. Die App kann bislang nicht so unglaublich viel: schafft man es, von jemandem eingeladen zu werden, kann man sich unter Klarnamen registrieren, und danach sogenannten Räumen beitreten. In diesen virtuellen Räumen sind in der Regel schon andere Menschen drin und führen ein Gespräch. Mehr nicht. Es ist, wie einer Telefonkonferenz beizutreten, schreibt Richard Gutjahr, die Tag und Nacht läuft. Gut, nicht ganz so dröge, denn anders als bei den momentan endlos stattfindenden beruflichen Video- und Telefonkonferenzen, kann man jederzeit den Raum verlassen und einen anderen betreten. Möchte man mitdiskutieren hebt man eine virtuelle Hand und einer der Moderatoren kann einen für alle hörbar dazuschalten.

Dabei verzichtet Clubhouse momentan auf einiges, was andere Dienste anbieten: Likes, Retweets, Kommentare, etc. sucht man hier vergeblich. Auch eine Videofunktion gibt es nicht. Genauso, wie es die App momentan nur für iOS gibt und die Audio-Streams bislang ausschließlich über die App gehört werden können. Dass das nach bald einem Jahr Existenz Zufall ist, ist unwahrscheinlich. Denn die App ist mitnichten nur ein kleines Projekt zweier Nerds, sondern eine im Dezember 2020 auf 100 mio. US-$ geschätzte Software. Darin steckt mittlerweile Geld von Andreessen Horowitz, einer US-Amerikanischen Risiko-Investment-Gesellschaft, die bislang in weitere Tech-Erfolge wie AirBnB, BuzzFeed, Facebook, Pinterest, Slack oder Twitter investiert haben.

Jetzt also Clubhouse. Warum dann also diese Verknappung? Zum einen passt es gut in die aktuelle Zeit, in der viele sich freiwillig oder nicht ganz so freiwillig sozial einschränken, zuhause bleiben und die App, wie vielfach beschrieben, einen intimen Rahmen schafft, in dem man sich unterhalten kann. Und auch wirklich nur unterhalten kann. Es ist egal, was man gerade trägt oder wie das Zimmer aussieht, solange man noch ein wenig Akku hat, kann man sich in einem virtuellen Raum mit irgend einem Promi treffen und über Gott und die Welt reden.

Privilegierter Elitarismus

Ok, zugegeben, dass der Leser bis jetzt  noch gar nichts von dieser App gehört hat, ist, je weiter die Veröffentlichung dieses Artikels zurückliegt, unwahrscheinlich. Das könnte daran liegen, dass der Großteil der deutschen Medienhäuser mittlerweile einen oder mehrere Artikel darüber veröffentlicht hat. Es scheint, als wäre diese App ein mediales Großereignis. Eher ungewöhnlich für ein soziales Netzwerk, noch ungewöhnlicher, wenn man überlegt, dass die App bis vor kurzem global nicht mehr als 600.000 registrierte Nutzer hatte. Warum wird also so viel darüber berichtet, wenn die App vergleichsweise wenig Nutzer hat?

Statistic: Most popular social networks worldwide as of October 2020, ranked by number of active users (in millions) | Statista
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Einer der Gründe könnte darin liegen, dass die App auch hierzulande über einen sehr erlauchten Nutzerkreis verfügt. So kann es gut sein, dass man in der einen Sitzung mit FDP-Bundesvorständin Marie-Agnes Strack-Zimmermann plaudert, in der nächsten auf Thomas Gottschalk trifft oder einem Streitgespräch zwischen Luisa Neubauer und Jens Spahn landet. Auch international findet man ungewöhnlich viel Prominenz für eine vergleichsweise junge App. Gerade in den Vereinigten Staaten gehören Namen wie Oprah Winfrey, MC Hammer, Jared Leto oder Kevin Hart zu den Early Adoptern.

Also alles Personen die hierzulande gerne in Talkshows eingeladen werden. Und genauso, wie man Journalisten gerne über Statements von Politikern und Influencern bei Anne Will oder Markus Lanz schreiben sieht, tun sie es jetzt auch über die moderierten Voice-Only-Gespräche auf Clubhouse. Mit einem Unterschied: sie sind selbst sehr häufig Mitglieder der Diskussionsrunden. Jede angemeldete Benutzerin bekommt zum Start drei Invites, mit denen man neue Mitglieder einladen kann. Bei reger Aktivität werden diese Invites nach und nach vermehrt. Der Trick: in jedem Profil ist einsehbar, wer einen eingeladen hat. es lohnt sich also, seine Invites nicht an Hinz und Kunz weiterzugeben, sondern nur an Personen, die man für geeignet erachtet.

Das Resultat: eine sehr homogene Benutzergruppenblase aus Influencern, Politikern und Journalisten. Das zumindest ist mein subjektiver Eindruck, wenn ich mir ansehe, von wem ich in den letzten Tagen unbezahlte Werbung dafür in meinen Feeds gesehen habe.

Warum das problematisch ist

Wenn ich Nachwuchspolitiker wäre, wäre es mein Ziel, die Welt als einen besseren Ort zu hinterlassen als ich ihn vorgefunden habe. Dazu bräuchte ich gute Inhalte, ein einzigartiges Auftreten (um mich von meinen Mitbewerbern abzusetzen) und eine möglichst breite Zielgruppe, die mich und meine Politik gut fänden und mich daher in Wahlen unterstützen würden. Und genau den letzten Punkt macht Clubhouse (momentan) unmöglich.

Es ist das Gegenteil von (basis-)demokratisch: ein elitärer, hyperprivilegierter invite-only Laberclub. Quasi wie die Bilderberg-Treffen, nur digital. Es steht für genau die Art von Politik, die ich und viele meiner Altersgenossen eigentlich überwinden wollen. Denn sie ist intransparent und hinter verschlossenen Türen.

Es ist ja schön zu sehen, dass junge Politik-Influencer sich freuen, mal mit ihren Idolen beim Zähneputzen quatschen und das euphorisch mit ihren Freunden teilen zu können. Für alle anderen ist das aber nicht möglich. Und erzeugt daher Neid, Unverständnis und Ablehnung der Menschen, die diesen Hype möglich machen. Also das Gegenteil, von dem, was junge Parteijugendliche eigentlich vermitteln wollen.

Doch es stecken noch weitere Probleme in der App. Der quasi nicht existente Datenschutz braucht hier nur erwähnt werden, analysiert wird er woanders treffender. Dass die Mehrheit der Deutschen dabei bislang auch noch ausgeschlossen wird, weil sie kein iOS verwenden, ist ein weiterer. Und schließlich: technisch gesehen spricht wenig dagegen, die Streams auch außerhalb der Plattform für alle hörbar zu machen. Podcasts vertreten diese Idee: egal auf welcher Plattform oder mit welchem Podcatcher man eine Folge hören möchte, sie ist überall verfügbar. Das gilt für die meisten Formate, die nicht von den Produzenten künstlich verknappt werden, damit man damit die Marktposition eines bestimmten Anbieters stärken kann.

Gespräche wie diese verspricht die App Clubhouse. Passt gut in eine Zeit, in der solche Zusammenkünfte unvernünftig sind. Foto von Product School / Unsplash

Was kannst du also ganz konkret tun, wenn du schon auf der Plattform bist? Verteil deine Invites an Personen, die momentan unterrepräsentiert sind. Schreib für deine Follower auf, wer was gesagt hat. Was die Inhalte waren. Ermögliche denen den Zugang, die momentan keinen Zugang haben. Die App wird nach dem anfänglichen Hype nicht direkt wieder verschwinden (zumindest sehen das die meisten Kommentatoren als unwahrscheinlich an). Aber durch das Schneeballsystem an neuen Personen wird die Plattform weiter wachsen. Das verändert die Art der Gespräche. Versuch daher, deine Reichweite nicht dafür zu nutzen, anderen zu zeigen, was sie nicht haben, sondern ermögliche ihnen die Transparenz, die die Plattform sonst nicht bietet. Hol die Diskussionen aus dem Hinterzimmer ins Licht!

Schluss

Vieles bleibt in diesem Beitrag unerwähnt. Die Interpretation, warum im Binden der intimen, direkten Konversation an eine Plattform ein Vordringen des Marktdenkens in den Privatbereich liegt, erspare ich mir an dieser Stelle. Auch eine tiefergehende Reflektion meiner Motivation für diesen Artikel fehlt. Diesen Teil (das Ergründen weiterer Argumente für oder gegen die Nutzung von Clubhouse) würde ich gerne in der Diskussion lösen. Nur bitte nicht auf Clubhouse. Denn dahin wurde ich noch nicht eingeladen.

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