Eine neue Studie aus Australien zeigt, dass die Raubfische keine „klassischen Killer“ sind, wie so mancher Hollywoodfilm dies schon ausgemacht hat. Vielmehr verdichtet sich die Theorie, dass Weiße Haie Menschen oftmals mit ihrer Beute verwechseln.
Schon seit Längerem vermuten Haiexperten, dass hinter einer Hai-Attacke nicht wirklich ein bewusster Angriff auf den Menschen steckt. Eine neue Studie der Macquarie Universität in Sydney, die jetzt im Fachmagazin Journal of The Royal Society Interface veröffentlicht wurde, bestätigt diese Theorie erneut. Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass die Raubfische Surfer und Schwimmer an der Wasseroberfläche möglicherweise nicht visuell von ihrer natürlichen Beute unterscheiden können.
Bei ihren Forschungsarbeiten filmten die Forscher in einem großen Aquarium im Taronga Zoo in Sydney. Sie installierten stationäre wie auch bewegliche Kameras, die auf die Wasseroberfläche gerichtet wurden und damit die Perspektive eines Weißen Hais, der von unten in Richtung Wasseroberfläche schaut, simulierten. „Wir haben eine GoPro an einem Unterwasserscooter befestigt und auf eine für Haie typische Geschwindigkeit eingestellt“, berichtete Laura Ryan, eine Haiexpertin der Macquarie Universität.
Das Team filmte letztendlich rechteckige Bretter, Robben, Seelöwen und Menschen, die in unterschiedlichen Schwimmstilen schwammen, sowie Menschen, die auf unterschiedlich großen Surfbrettern paddelten. Zurück im Labor der Universität griff das Team dann auf umfangreiche neurowissenschaftliche Daten von Haien zurück. Ein Modellierungsprogramm simulierte letztendlich die Art und Weise, wie ein junger Weißer Hai die Bewegungen und Formen verschiedener Objekte verarbeitet. Weiße Haie gehören wie auch Bullen- oder Tigerhaie zu den Haiarten, die am häufigsten für Attacken auf Menschen verantwortlich gemacht werden.
Haie können keine Farben und Details sehen
„Wir haben festgestellt, dass Surfer, Schwimmer, Robben und Seelöwen an der Meeresoberfläche sehr ähnlich für einen Weißen Hai aussehen, der von unten nach oben schaut“, wie Ryan sagte. Denn Haie würden keine feinen Details oder Farben sehen können, erklärte die Forscherin. Um zwischen verschiedenen Objekten zu unterscheiden, verwenden Haie eine Reihe von sensorischen Hinweisen und unterschiedliche Haiarten sind zudem unterschiedlich empfindsam.
Beim Vergleich der Aufnahmen kamen die Forscher zu dem Schluss, dass weder die Silhouettenform noch die unterschiedlichen Bewegungen für einen Hai ausreichen, um eine klare Unterscheidung zu treffen. Die aktuelle Studie stützt damit die Theorie, dass Weiße Haie nicht aktiv nach Menschen als Beute suchen.
Risikogruppe Surfer
Laut der Forscher stellen kleinere Surfbretter oftmals eine „verlockendere Beute“ dar als Longboards oder sogar Stand-Up-Paddleboards. Surfer seien aber auf alle Fälle die Gruppe „mit dem höchsten Risiko für tödliche Haibisse“. Letzeres liegt auch daran, dass Surfer viel mehr Zeit im Meer verbringen als Schwimmer und sich oft in tieferen Gewässern aufhalten. Insbesondere junge Weiße Haie würden sie häufiger mit ihrer Beute verwechseln, meinte die Biologin, die trotz ihrer Forschungsarbeiten über die Raubfische selbst auch eine begeisterte Surferin ist. Bei jungen Haien ist die Sicht noch nicht ebenso gut entwickelt wie bei älteren Tieren.
Dazu kommt, dass junge Weiße Haie natürlich auch erst einmal lernen müssen, was sie essen können. Zudem verändert sich ihre Nahrung, je älter und größer sie werden. „Wenn Weiße Haie eine Länge von etwa 2,5 Metern erreichen, verhärten sich ihre Kiefer, damit sie größere Beute wie Robben fressen können“, sagte Nathan Hart, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. „Sie müssen ein Suchbild für diese Beutetiere entwickeln und dieses mit anderen Sinnesinformationen kombinieren.“ Das sei ein Lernprozess, der eben auch anfällig für Fehler sein könne.
Können LED-Leuchten Haie abschrecken?
Im Rahmen der Studie experimentierten die Wissenschaftler der australischen Universität auch mit Geräten, die Surfer und Schwimmer möglicherweise vor Haibissen schützen können. Da die meisten Haie wahrscheinlich völlig farbenblind sind und das wichtigste visuelle Merkmal für die Raubfische die Silhouette und Form ihrer Beute ist, ist es nach Meinung der Forscher eher unwahrscheinlich, dass Farben auf Surfbrettern oder Neoprenanzügen einen positiven Unterschied machen. Sinnvoller sind in ihren Augen Methoden, die die Haie die Silhouetten unterschiedlich wahrnehmen lassen. Letzteres könnte unter Umständen mit dem „umsichtigen Einsatz“ von LED-Leuchten erzeugt werden, wie sie in einer Abhandlung zur Studie schrieben, die auf der Webseite der Universität veröffentlicht wurde.
Grundsätzlich ist das Risiko eines Haibisses sehr gering, doch Australien ist eines der Länder weltweit mit den meisten Hai-Attacken. Allein im Jahr 2020 ereigneten sich sechs der insgesamt zehn tödlichen, unprovozierten Haiangriffe weltweit im Meer vor dem fünften Kontinent. Insgesamt haben Haibisse in den vergangenen 20 Jahren zugenommen, wie Ryan sagte. Letzteres liegt vor allem auch daran, dass immer mehr Menschen mehr Zeit im Meer verbringen.
Gleichzeitig wollen die Forscher aber auch darauf aufmerksam machen, dass Haie bei all ihrer Gefährlichkeit selbst ebenfalls gefährdet sind. Hainetze und Trommelleinen als Schutz für den Menschen zu installieren, hätte deswegen das Potenzial, den Tieren weiteren Schaden zuzufügen, sagten die Forscher. Ryan hofft, dass ihre Forschungsergebnisse letztendlich dazu führen, ein sichereres Umfeld für Mensch und Hai zu schaffen.
Barbara Barkhausen
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