Durch Zufall wurde ich erst kürzlich auf einen Beitrag aufmerksam, den ich am 2. Juli 2021 geschrieben hatte. Unter dem Beitrag hatten Menschen kommentiert, die sehr starke Maßnahmenbefürworter sind. Eine davon (ich nenne sie hier Meier) ist eine Wissenschaftsjournalistin, mit der ich zusammengearbeitet hatte. Der andere (ich nenne ihn hier Schmidt) ein Journalist, Autor und Künstler, mit dem ich befreundet war. Wir gingen bereits zusammen zur Schule. Ich dachte, dass wir in vielen Dingen die gleichen Ansichten vertreten. Wie sich herausstellte, war dies nicht der Fall. Auch ich war am Anfang recht maßnahmenkonform. Die Brüche begannen, als ich mich zunehmend kritisch äußerte. Bereits im April 2021 teilte er mir mit, dass er „das Gift, das ich verbreite“ nicht in sein Hirn träufeln lassen wolle - darunter Studien und Expertenmeinungen, die dem gängigen Narrativ widersprachen.

Der folgende, kurze Post über das Buch „Schäm Dich“ von Judith Sevinç Basad führte bei beiden dazu, dass sie den Kontakt zu mir vollständig abbrachen. Meier blockierte mich sogar auf Twitter.

Mein Text: "Die Autorin Judith Sevinç Basad schreibt in ihrem Buch "Schäm Dich!": „Dieser Reinheitsgedanke stammt aus dem Dritten Reich. Die Nationalsozialisten wollten nicht nur das deutsche Blut rein halten, indem sie Juden, andere Ethnien, politische Feinde oder Andersdenkende als ansteckende Kranke, Ungeziefer oder Parasiten abwerteten, die die „Rasse“ beschmutzen könnten. Sie wendeten ihre „Säuberungen“ auch auf die Kultur an: Bücher wurden verbrannt, Musik als „entartet“ stigmatisiert, verkauft oder in eigenen Besitz gebracht. Es ist unfassbar, wie dieser Wille zur kulturellen Säuberung fast 100 Jahre nach  Hitlers „Mein Kampf“ wieder en vogue wird - aber diesmal bei Aktivisten, die von der breiten Gesellschaft als „progressiv“ gefeiert werden.“ (82f)

Ich frage mich: War das damals anders? Waren die Nazis in der breiten Meinung die Progressiven? Ist „geschwurbelt“ das neue „entartet“? Gestern wurde auf Twitter eine Sperre für den Journalisten Boris Reitschuster auf allen Kanälen gefordert, die ihm Zugang zur Öffentlichkeit geben. Begründet wurde das beispielsweise von einer Autorin „als eine sehr wichtige Hygienemaßnahme zum Erhalt der geistigen Gesundheit unserer Bevölkerung“. Das bescherte ihr nach eigener Aussage den Zulauf mehrerer hundert Follower. Scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein und sollte zu denken geben - egal wie man zu Reitschuster steht."

Soweit der Stein des Anstoßes. Bitte bei der Lektüre der Kommentare immer im Hinterkopf behalten, dass Reitschuster keine bevorzugte Quelle von mir ist. Ich hege sogar eine gewisse Antipathie, worauf es aber eben nicht ankommen darf, wenn es um Grundrechte geht. Und genau darum geht es hier, auch wenn ständig davon abgelenkt wird. Diese Trennung schaffen offensichtlich nicht viele. Ich werde die folgende Korrespondenz nicht einordnen. Nur so viel: Immer wieder habe ich überlegt, ob mein Ton zu scharf war, ob ich der Hauptverantwortliche bin, dass langjährige Beziehungen abbrachen. Das mag sicher auch so sein, weil spätestens mit der Kinderimpfung und der Impfpflicht für mich die Dämme gebrochen waren und es mir nicht immer gelang, mich ruhig oder sachliche zu äußern. Dieser Austausch fand jedoch vorher statt und es waren ausgerechnet 2 Journalisten, die die Sperrung eines Kollegen nicht nur zu rechtfertigen versuchten, sondern faktisch die Einschränkung der Pressefreiheit forderten, um diese zu verteidigen. Deshalb war es für mich so bestürzend, dies zum Jahresende noch einmal zu lesen:

Meier an Müller: „Jürgen, das ist für mich wirklich nur noch schwer auszuhalten. Reitschuster verbreitet gefährlichen Schwachsinn und da muss man dagegen halten dürfen. Man kann eine differenzierte Debatte auch einfordern, ohne Sätze zu schreiben wie "Waren die Nazis in der breiten Meinung die Progressiven?" Man kann doch skeptisch und kritisch sein, ohne dabei Leuten die nachweislich gesellschaftsspaltend und mit Fake-News unterwegs sind Tür und Tor zu öffnen. Ich dachte zumindest bislang, das wäre Dein Ansatz.“

Müller an Meier: „Mir geht es nicht um Reitschuster oder um Jebsen, gegen dessen youtube-Sperrung mit mehreren hunderttausend Followern ich mich auch schon gewendet habe. Sind beides keine primären Informationsquellen für mich. Es geht um Presse-, Meinungsfreiheit und mehr. Ich finde es sehr bedenklich, dass Du genau diese Aussage, die ich zitiert habe, rechtfertigst. Das ist 1 zu 1 Faschistensprache, wie wir sie aus unserem Geschichtsunterricht kennen.

Auf Reitschuster bin ich erst gekommen, nachdem Tilo Jung das kritische Nachfragen in der BPK bedauerlicherweise eingestellt hat. Den Part hat dann Reitschuster übernommen, wofür er dann von der BPK ausgeschlossen werden sollte.

Ich habe seit Beginn der Krise beide Seiten angehört und mich neben den Leitmedien auch in alternativen Medien informiert. Mediale Notwehr, weil die Leitmedien in der Krise grandios versagt haben und anders herum andere Quellen weitaus treffsicherer bzw. weniger interessengeleitet waren. Erinnerst Du Dich noch an unsere Diskussion aus dem April 2020, als ich das bereits moniert hatte? Was die Leitmedien zu dem Zeitpunkt gemacht haben war, täglich unseriöse aber dafür umso erschreckendere Zahlen wie Gewehrsalven auf die Bevölkerung abzufeuern - garniert mit schockierenden Bildern. Dadurch haben sie die Menschen in Angst und Schrecken versetzt und tun das weiter, obwohl ihnen die Datengrundlagen, auf denen alles fußt um die Ohren geflogen sind.

Damals hattest Du meine Aussage gerügt, weil man Journalisten erst einmal Zeit geben müsse, sich auf eine neue Situation einzustellen. Absolute Zahlen abzufeuern, deren Zustandekommen hanebüchen ist und sie nicht einmal rudimentär ins Verhältnis zu setzen, war von Anfang an ein Unding. Da muss man sich nicht erst drauf einstellen. Derartiges ist ein Unding.

Aber im Wesentlichen wird genau so weiter gemacht. Von den gravierenden Nebenwirkungen der Impfungen liest man beispielsweise in den Leitmedien ebenfalls kaum etwas, während jeder schwere COVID-Verlauf teilweise einzeln, mit verängstigenden Details dargestellt wurde. Wissenschaft und Vorsorgeprinzip (das nicht nur in eine Richtung funktioniert) sind vollkommen egal. Das ist nicht mein Ansatz. Ebenso war nie mein Ansatz, massive Ungerechtigkeiten und einen autoritären Staat zu schaffen uvm. Hier läuft sehr vieles gegen das, wofür ich seit Jahren eingetreten bin und ich empfinde das in höchstem Maße antiaufklärerisch.

Wer mehr Fake-News produziert hat, werden wir retrospektiv sehen. Die Leitmedien haben jedenfalls durch ihre Berichterstattung zu unermesslichem Leid mindestens beigetragen, vermutlich mehr, als es ein Reitschuster je könnte.“

Meier an Müller: „Deine tiefe Skepsis gegenüber den Impfungen kann ich nicht nachvollziehen, ist aber voll ok für mich. Vieler Deiner Beiträge in jüngster Zeit empfinde ich aber als sprachlich unangemessen, unausgewogen und Ängste schürend. Also im Grunde das, was Dich ebenfalls bei anderen Beiträge zu stören scheint. Ich kann da nichts dran ändern, aber ich werde Dich aus meinem Feed nehmen, weil mir das zusetzt und mich auch bedrückt.“

Müller an Meier: „Das finde ich sehr schade, aber auch verständlich. Ich hoffe, es kommen wieder andere Zeiten. Im Augenblick kann ich nicht anders. Nichts für ungut!“


Schmidt an Müller: „An Reitschuster ließe sich seitenlang ausführen, wie man Fakten so wendet, dass sie in eine Version der Wirklichkeit passen, die eigenen Bedürfnissen entspricht. Ich stamme wie Reitschuster aus Augsburg und habe mir deshalb zu Weihnachten 2019 angesehen, wie nach dem Tod eines Feuerwehrmanns, der bei einem Gerangel mit Jugendlichen auf seinen Kopf gestürzt war, eine Deutung in die Welt kam, die mit dem Geschehen nur noch homöopathisch zu tun hatte: Menschen wie Reitschuster taten alles dafür, um daraus einen Vorfall der Merkel-Diktatur zu machen, und sie hatten damit beachtlichen Erfolg. Dieses Muster wiederholt sich seitdem regelmäßig. Lieber Jürgen, ich schätze Dich als akribischen und aufrechten Kämpfer für eine andere Welt. Aber nicht alles wird allein dadurch richtig, dass es sich vermeintlich heldenhaft gegen eine vorherrschende Meinung stellt.“

Hier ein Text von Christian Schwägerl zu der vermeintlich aufklärerischen aktuellen Arbeit von Reitschuster. Was hier beschrieben ist, deckt sich exakt mit dem Vorgehen damals in Augsburg. Daraus jetzt eine Beschneidung von Meinungsfreiheit zu machen, ist, als würde man in einer Gruppe gegen das Rathaus von München pinkeln und, wenn die Polizei kommt, einen autoritären Schlag gegen die Versammlungsfreiheit beklagen.

https://www.riffreporter.de/.../corona-covid-impfung...

Müller an Schmidt: „Lieber Schmidt, ich verweise auf unseren privaten Austausch der letzten Wochen und meinen Hinweis, dass ich nicht überzeugen will, sondern nur alternative Sichtweisen zur Verfügung stelle. Ich habe deswegen nie etwas in unserer Gruppe geteilt und wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns wieder austauschen, wenn wir uns wieder näher sind. Mir soll es trotzdem recht sein, wenn Du Dich zu Wort meldest, denn es geht genau darum, ins Gespräch zu kommen, gerade wenn man so diametral auseinander liegt.

Wenn wir das aber machen, weil ich auf meinem Kanal eine Sichtweise anbiete, bitte ich Dich, meinen erläuternden Hinweis wenigstens zur Kenntnis zu nehmen, dass ich hier Reitschuster nicht als Quelle verteidige und insofern finde ich Deinen Vergleich vor dem von mir vorgebrachten Gesamtkontext (sorry) hanebüchen. Lass nochmal auf Dich wirken, warum ich das in Kontext gestellt habe:

Grund war, dass ein Journalist (vergiss mal kurz Reitschuster, wenn Dich der verständlicherweise so triggert) auf den sozialen Medien gesperrt wird, seine Konten gekündigt werden etc und das „als eine sehr wichtige Hygienemaßnahme zum Erhalt der geistigen Gesundheit unserer Bevölkerung“ eingeordnet wird.

Das kann irgendwer geschrieben haben, auch ein Pharmaaccount ist nicht auszuschließen. Darum geht es mir aber wiederum auch nicht. Mit sowas muss man leben und rechnen in den sozialen Medien.

Problematisch wird es, wenn so etwas hunderte oder tausende Male geliked und retweetet wird. Ich gehe auch nicht davon aus, dass sich die Buchautorin mit Reitschuster gemein machen würde, aber dieses Zitat beschreibt sehr gut, was in den sozialen Medien los ist und sie bringt viele Beispiele dafür. Ich halte das alles für sehr gefährlich.

Ich lese mir jetzt nicht durch was Schwägerl schreibt sowie ich mir auch nicht durchgelesen habe, was Reitschuster schreibt, weil ich mich aus verschiedenen Gründen nicht mit einem mutmaßlichen shedding befassen will. Es geht auch nicht um das Inhaltliche. Es geht um das Zitat und wie es angenommen wird und wie Du nun Derartiges verteidigst. Mir bereitet das große Sorge. Mir geht es auch nicht um Reitschuster oder Jebsen oder sonstwen. Es geht hier um das Prinzip. Was kommt als Nächstes? Die Medien, die ich konsumiere und die ebenfalls maßnahmenkritisch berichten und sich kritisch mit der Impfung auseinandersetzen? Haben wir dann nur noch die Leitmedien, in denen es kaum substantielle Kritik und Aufarbeitung der Grundlagen der Krise gibt?

Mal ein Beispiel weil ich das gerade hier reingespült bekommen habe: Wir nehmen Medien sehr unterschiedlich wahr, wie ich an verschiedenen Diskussionen bemerkt habe. Ein sehr zentraler war die Aktion #allesdichtmachen. Ich möchte nicht unsere Standpunkte wiederholen, aber Du hast darauf hin gepostet, das Einzige, was man sich ansehen solle, wäre die Reportage über die Charité. Ich habe sie mir nicht angesehen, genau so wie ich mir nicht die Einzelfallberichterstattung über COVID-Tote angesehen habe, oder Auflistungen, die Menschen seitenweise gemacht haben. Warum sollte ich? Weil genau das wieder Angst und Schrecken verbreitet ohne irgendeine Relation. Aus dem gleichen Grund teile ich auch keine Einzelfallschicksale von Impfschäden und Nebenwirkungen. Die gibt es aber zu hunderttausenden und auch tausende Tote. Ich kenne viele Fälle aus meinem Umfeld und von Kollegen. Aber weil es hier herpasst, ein Beispiel, wie die Techkonzerne mit Berichten über Impfschäden gerne mal umgehen:

https://tkp.at/.../faelle-schwerer-nebenwirkungen-bei.../

Darum geht es. Das ist für mich die zentrale Frage. Ständig. Wollen wir irgendwas Substantielles wissen und wollen wir die Macht- und Systemfrage stellen oder machen wir so weiter? Und genau da sehe ich auch den Unterschied zur Klimabewegung, die denkt, wer nicht bei den Maßnahmen mitmacht, sei neoliberal und unsolidarisch. Also wenn man nicht das mitmacht, was mächtige Konzerne und die Union vorgeben, ist man neoliberal und unsolidarisch?!? Ich habe da Zweifel und bin an dem Punkt halt genau der entgegengesetzten Ansicht. Ich frage mich, warum macht denn die Klimabewegung dann nicht auch in Sachen Umwelt, was die Union und die Konzerne wollen? Soll ich es neoliberal und unsolidarisch finden, dass die da so obstinat sind? Oder besteht etwa die Möglichkeit, unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich zu beurteilen?

Die Verteidigung der Meinungsfreiheit und der Pressefreiheit sehe ich in dem Zusammenhang als ein weiteres den Anfängen wehren - auch wenn wir schon weit über die Anfänge hinaus zu sein scheinen, wenn Menschen ein derartiges wording liken und auf Kritik sogar noch verteidigen und in vielen anderen Dingen noch krasseres gefordert wird.

Wenn ich die Sorge der Menschen vor COVID ernst nehmen soll, bin ich dazu nur noch bereit, wenn endlich mal die Sorge vor einem Abbau der Demokratie und des Rechtsstaats, dem Ausbau des Überwachungsstaats und einer möglichen Impfung von Kindern sowie einer Impfpflicht bzw. Grundrechteapartheid ernst genommen werden - oder zumindest in Erwägung gezogen wird, dass das valide Argumente sein könnten und diese nicht ständig in den Bereich purer Idiotie verbannt werden. Sonst schafft halt die Erinnerungskultur ab. Das wäre dann konsequent.

Schmidt an Müller: „Lieber Jürgen, ich habe mich hier zu Wort gemeldet, weil ich wie in der Vergangenheit schon beobachtet habe, dass es Dir um Grundsätzliches geht, während Du das Konkrete als Hinweisgeber ablehnst. Man kann in meinen Augen aber nicht über Pressefreiheit sprechen, wenn man nicht die Arbeit jener in Augenschein nimmt, die nur dann und so weit ein Grundrecht einfordern, so lange es in ihre Agenda passt. Das tut Reitschuster seit Jahren und das „triggert“ mich nicht, Reitschuster ist vielmehr ein Symptom für den mutwilligen Missbrauch eines Grundrechts, das wir nicht für, sondern gegen jemanden wie ihn verteidigen müssen.

Bei #allesdichtmachen war die Charité-Doku ein Argument unter mehreren. Mein zentraler Kritikpunkt war und bleibt: Die Initiatoren haben ihre Argumente und Motive nicht bis zum Schluss durchdacht und deshalb eine Aktion in die Welt gesetzt, die die Atmosphäre weiter vergiftet und ihre eigenen Ziele konterkariert hat, resultierend aus einem diffusen „WIR wissen besser, was die Leute denken, denn WIR sind nicht DIE Medien“-Denken. Ich halte das für narzisstisch und anmaßend und glaube deshalb auch nicht wie Du, dass der Sinn der Aktion erfüllt ist, weil sie einen Konsens aufgebrochen hätte. Brüggemann hat in erster Linie sein Dagegensein zur Schau gestellt, ohne einen ernstzunehmenden Gedanken, der eine Debatte in Deinem Sinne ermöglicht hätte. Er sagt, das sei auch nicht die Aufgabe von Satire. Das stimmt, aber die Aufgabe von Satire ist sehr wohl das Denken, und die war allenfalls bis zur Hälfte vollzogen.

Ich bin selbst oft unglücklich mit vielem, was in den Medien geschieht und mehr noch oft nicht geschieht. Deshalb halte ich etwa die Riffreporter für einen Segen und eine zuverlässige Quelle, weil sie sich genau aus der Unzufriedenheit heraus gegründet haben, die auch mich umtreibt. Und ich tue mich wirklich schwer mit Deinem Vorgehen, wenn Du für die Argumente, die Du hast und die ich ernst nehmen will, weil ich Dich als klugen und aufrichtigen Menschen kennengelernt habe, der mitunter wie ein Kanarienvogel im Stollen warnt, nur Quellen anführst und akzeptierst, die Deine Systemkritik untermauern. Denn unter denen befinden sich sehr viele Denker, die nicht halb so klug sind wie Du und Deine Verteidigung nicht verdient haben.

Unser kollektives Denken ist gerade ein einziges Ringen um Differenziertheit. Und Du hast recht: Wir hatten verabredet, dass wir uns etwas in Ruhe lassen, und ich werde mich von nun an ebenfalls an unsere Verabredung halten.

Müller an Schmidt: „Lieber Schmidt, ich wollte Dich nicht abwürgen, war nur überrascht. Wie gesagt, begrüße ich die Diskussion, aber dann bitte nicht zu Themen, die ich nicht aufgeworfen habe, sondern speziell zu dem, was ich gesagt habe. Und da gehst Du schon wieder dem aus dem Weg, was für mich kardinal ist und verteidigst es dadurch zumindest implizit: Einen recht faschistoiden Sprachduktus, der immer breitere Unterstützung in der Gesellschaft zu finden scheint. Das bereitet mir große Sorgen.

Auch das Weitere stimmt so nicht, wie Du es darstellst. Ich schaue mir alles an, komme aber halt nach vielen Panikdesastern zu dem Schluss, dass die andere Seite, die ich anfangs teils ebenfalls verachtet habe, in vielem recht hatte und möchte daher bei der Impfung zB erstmal vorsichtig sein. Nicht dass sich auch dort noch herausstellt, dass es mehr schadet als angenommen. Wir wissen es einfach nicht, weil niemand die Daten erheben will, wie es sein müsste und der Bruchteil an Daten, der eingeht, aus meiner Sicht katastrophal ist. Aber ich mache es nicht wie andere (die ich aber durchaus verstehe). Ich verabschiede mich nicht von den mir unangenehmen Meinungen, weil ich dann nur noch in einer Filterblase wäre, was bekanntlich nicht gut ist. Erst kürzlich habe ich zB ein Interview mit John Ioannidis geteilt, in dem er ausführt, dass die Lockdown-Maßnahmen mehr schaden als nutzen. In dem gleichen Interview spricht er sich aber eindeutig für das Impfen aus. Meine Position dazu dürfte nun hinlänglich bekannt sein, da sie dem diametral entgegensteht (also immer in dem Kontext was die Coronaimpfung anbelangt, sonst bin ich nebst Familie deutlich überimpft).

Es kann keine Rede davon sein, dass ich nur meinem Bias folge. Grad vorhin habe ich was zu Masken gepostet. Ich war immer ein großer Maskenfreund (solange das nicht für Kinder vorgeschrieben war). Aber auch da muss man sagen, dass das nie so richtig evidenzbasiert war. Es ergeben sich Hinweise, die uns an einer so breiten Maskenpflicht zweifeln lassen sollten. Ich bin immer bereit, Fehler einzugestehen. Aber gilt das für alle? Ich habe nicht den Eindruck. Wir reden bei Nullinzidenz teils immer noch über eine Maskenpflicht im Freien. Im Freien! FFP2! Das ist hanebüchen.

Ich bewundere alle, die ein festes Weltbild haben und Quellen, denen sie blind vertrauen. Ich vertraue so ziemlich niemandem und zweifle an allem, vielleicht am Meisten an mir selbst. Das ist manchmal kaum zum Aushalten;-)

Ein letztes zu Reitschuster: Ich habe nicht verfolgt, was er zu den von Dir aufgeworfenen Themen schrieb, obwohl ich, wie Du weißt, auch aus Augsburg komme. Den Feuerwehrfall habe ich nicht verfolgt, aber hier geht es um ein Virus, das weder rechts noch links ist. Zumindest gibt es dazu noch keine Evidenz. Aber auch die Berichterstattung über andere Thematiken ist mir da zu sehr schwarz-weiß geprägt. Auch da gibt es Grautöne. Wenn man Grundrechte unter Bedingungen stellt, die zu weit gehen, sind es keine Grundrechte mehr. Wer sagt denn, was die Wahrheit ist? Ich erinnere mich noch gut daran, dass im Zuge der BLM-Proteste es irgendwann darin gipfelte, zu behaupten, es gäbe keine Deutschenfeindlichkeit. Jetzt mag man sich fragen, woher die kommen mag, aber dass sie bestritten wird, wenn man selbst schon Opfer (mit Nachwirkung bis heute!) davon wurde, ist grotesk. Einen entsprechenden thread habe ich damals aber gelöscht, weil mich sofort die halbe AfD geliked und retweetet hat. Dass so etwas nicht nüchtern diskutiert werden kann, ist ein Riesenproblem. Ich weiß zwar nicht, wie Reitschuster über so was berichtet, aber ich weiß, wie mit Sarah Wagenknecht umgegangen wird, wenn sie derartige Tatsachen anspricht. So werden wir gesellschaftliche Probleme niemals lösen und dann gehen die Leute halt dahin, wo für sie relevante Themen angesprochen und (teilweise sicherlich nur vorgeblich und interessengesteuert) ernst genommen werden. Corona ist ein solches.

Wäre also schön, wenn alle mal ihren Bias etwas verließen und andere Sichtweisen wieder mehr zuließen. Die Debattenräume sind grad so eng, dass man sich nichtmal mehr umdrehen kann.


Eine Ergänzung noch zu Schmidt, die aus meiner Sicht schön zeigt, dass die Maßnahmenbefürworter gerne das machen, was sie den Maßnahmenkritikern, die von Leuten wie Pia Lamberty gerne pathologisiert werden, vorwerfen: Man könne mit denen nicht reden, weil die ständig das Thema wechseln, Derailing betrieben und mit Vernunft gar nicht mehr zu erreichen sind. Der folgende Beispielsdialog ist einer unter hunderten, die so verliefen, dass es gar nicht um das eigentliche Thema geht, sondern auch viele Maßnahmenbefürworter gleich auf ein anderes Gleis wechseln, sie wollen es gar nicht wissen. Aus meiner Sicht ist es daher genau umgedreht. Man erreicht die Menschen nicht einmal in einem konkreten Punkt, wie an der obigen Korrespondenz bereits deutlich wurde. Hier der Beitrag von Schmidt und die darauffolgenden Kommentare:

„Der in allen mir bekannten Belangen großartige Philipp Kohlhoefer über sein Ende Oktober erscheinendes Buch "Pandemien":

"Stand jetzt möchte ich mich mit Viren nicht ganz so schnell wieder auseinandersetzen müssen, aber das wird nicht passieren, denn SARS2 wird bleiben. Und andere Infektionskrankheiten, die unser Immunsystem nicht kennt, werden folgen. Das kann nicht anders sein, solange wir den Planeten und seine Ökosysteme behandeln wie ein paar neue Sneakers. Als Konsumprodukt, das wegverbraucht werden kann.“

Müller an Schmidt: „Mit allem einverstanden. Ist ja auch mein Standpunkt mit den Ökosystemen, wie Du weißt. Aber das "andere Infektionskrankheiten, die unser Immunsystem nicht kennt" bezieht sich auf andere und nicht auf SarsCoV2, oder? Damit konnten die meisten Immunsysteme ja umgehen.“

Schmidt an Müller: „Du wirst es, egal, was ich Dir antworte, besser wissen.“

Müller an Schmidt: Was ist das jetzt für eine Antwort? Das ist ja Stand der Wissenschaft. Also langsam wird es bedenklich.

Schmidt an Müller: Lieber Jürgen, ich habe mir in den vergangenen Wochen viele Interviews und Beiträge angehört und durchgelesen, gerade vor dem Hintergrund Deiner Gedanken und meinem Bemühen, versuchen zu wollen zu verstehen, ob an dem, was Du sagst und wovor Du warnst, etwas dran sein könnte. Ich bin dabei vorgegangen wie auch sonst in einer arbeitsteiligen Gesellschaft, in der nicht alle alles wissen und tun können noch sollten, sondern jede und jeder tut, was sie und er am besten kann. Ich vertraue denen, denen ich abnehme, mit dem vorhandenen Wissen zu ringen und Risiken abzuwägen. Es war darunter etwa auch ein Kinderarzt und gleichzeitig Stiko-Mitglied, der selbst sagte, als Arzt agiere und entscheide er anders als als Mitglied der Kommission, die eine andere Aufgabe habe. Zu keinem Zeitpunkt hatte ich den Eindruck, dass wir unsere Demokratie zerstörten oder auf dem Weg wären in eine autoritäre Ära. Die Annahmen, von denen Du in Deinen Analysen ausgehst, haben sich in allem, was ich wahrgenommen habe, nicht bestätigt, mehr noch, sie haben mich zur Überzeugung kommen lassen, dass Du etwas zu verteidigen versuchst, womit ich nichts anfangen kann. Und das kumuliert in obigem Kommentar, dass egal, was ich sage, Du stets ein Argument haben wirst, das mir zeigen soll, dass Du mehr weißt, mehr siehst und mehr verstehst als ich. Deshalb sehe ich im Moment keine Grundlage für ein Gespräch, was ich bedaure.

Müller an Schmidt: Jetzt wechselt auch noch die Charité ins Lager der Realisten. Aber mach einfach wie Du meinst.

https://www.charite.de/.../science_fruehere_erkaeltungen.../


Das war es. Seither herrscht Funkstille. Wir Maßnahmenkritiker haben so etwas wohl alle erlebt. Für mich war es unverständlich, dass die Menschen positive Informationen von offiziellen Stellen ausblenden, sie einfach nicht wissen wollen und lieber weiter in der tiefen Angst blieben, in die sie getrieben wurden. Aber ständig musste man sich vorhalten lassen, man wäre ja nicht bereit, neue Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen und wurde mit übelsten Begriffen belegt, obwohl man die Zeit eines Vollzeitjobs investierte, um neue Erkenntnisse zu erlangen. Ich fürchte, die Realität wird irgendwann über diese Menschen hereinbrechen. Die angerichteten Schäden lassen sich halt einfach nicht wegleugnen. Sie lassen sich aber ganz offensichtlich für sehr lange Zeit komplett ausblenden. Ich bin aber überzeugt: Sie lassen sich nicht dauerhaft ausblenden. Die Wahrheit wird sich Bahn brechen.


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