So es denn eine gibt, lässt die Moral von  der Geschicht', die die hervorragende dänische Serie 'Borgen' anbietet, sich recht kurz zusammenfassen: Macht ist eine Droge. Wer nicht beizeiten lernt, von ihr zu lassen, den wird sie zerstören. Zuverlässig und gnadenlos. Panzern. Hart und brutal machen. Sie zerstört nicht nur die, die sie haben, sondern auch deren Familien und deren Umfeld. Und noch etwas lernen wir: So etwas wie 'oben ankommen' gibt es nicht. Wenn du oben bist, dann wird es erst richtig übel. Dann bist du der Gejagte und die Jäger werden jeden Tag jünger und zahlreicher. Daher musst du mindestens so viel Aufwand darauf verwenden, dich an der Macht zu halten wie auf deine eigentliche Arbeit.

Freundschaften kannst du auch vergessen, die gibt es nicht in der Politik, nur Allianzen. Umgekehrt gibt es auch keine richtigen Feindschaften. Es kann vorkommen, dass dir nichts anderes übrig bleibt, als mit einem Arschloch zusammen zu arbeiten, von dem du unter normalen Umständen kein Glas Wasser annehmen würdest. Etwa wenn das Arschloch besser mit Sozialen Medien ist als du selbst. Und natürlich stinkt nach Schwefel, wer mit dem Teufel zusammenarbeitet.

Das alles und noch mehr bekommen wir nach acht Jahren in acht neuen Folgen am Beispiel zweier Frauenfiguren vorgeführt, die von Anfang an dabei sind: Birgitte Nyborg (Sidse Babett Knudsen), ehemalige dänische Premierministerin, jetzt Außenministerin unter der zehn Jahre jüngeren Premierministerin. Und und die ehrgeizige Journalistin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sørensen), die zu Beginn der neuen, jetzt im deutschen Untertitel etwas ungelenk 'Macht und Ruhm' genannten Staffel, Nachrichtenchefin des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TV1 wird.

"The best television show about politics ever" (Stephen Benedict Dyson)

Wieder einmal kann ich nur wiederholen, was ich einst zu 'Sherlock' schrieb: 'Borgen' ist (immer noch oder wieder einmal) allerbestes Fernsehen auf der Höhe der Zeit und seinen Möglichkeiten. Und weit mehr als nur Unterhaltung. Dass die neue Staffel nur noch acht Folgen hat, ist übrigens ein echter Gewinn. Die Erzählung wird dadurch straffer und bleibt mehr beim Wesentlichen. Nebenhandlungen wie die über die traumatische Kindheit des Politikberaters Kasper Juul, die sich durch die ersten drei Staffeln zogen, fehlen diesmal fast ganz. Der Wermutstropfen? Neueinsteiger werden es vermutlich schwer haben, ohne die ersten drei Staffeln zu kennen. Die sind aber immerhin noch in der arte-Mediathek abrufbar.

(Ab hier Spoiler.)

Auch dieses Mal bekommen wir höchst plastisch vor Augen geführt, was Politik bedeutet und wie sie funktioniert: In Grönland wird ein Ölvorkommen im geschätzten Wert von zwei Billionen dänischen Kronen entdeckt. Das Ölfeld auszubeuten, würde Grönland zu Reichtum und Wohlstand verhelfen sowie dazu, endlich unabhängig von Dänemark zu werden. Andererseits hieße das für Nyborg und ihre Partei Neue Demokraten, politische Ideale zu verraten, denn die sind mit einer dezidierten Klimaschutz-Agenda zur Wahl angetreten. In Grönland macht die Unabhängigkeitsbewegung mit identitärer Politik Druck, in Dänemark die Wähler, denn die fühlen sich behumst. Weiterhin spielen auch Amerikaner, Russen und Chinesen mit und die Sache gerät zur internationalen Krise. Wer hat recht? Finde die richtige Lösung. Viel  Glück.

Auch Fønsmark gerät von Beginn an gewaltig unter Druck. Das kulminiert irgendwann darin, dass sie eine junge Journalistin entlässt, die sich mehrfach unprofessionell verhalten hatte. Die digital native tritt daraufhin eine Social Media-Kampagne gegen den Sender und ihre Ex-Chefin los. Sie sei nicht wegen der Qualität ihrer Arbeit entlassen worden, sondern weil sie Frau und Muslima sei. Der Sender knickt am Ende unter dem Shitstorm ein. Fønsmark ist damit erledigt. Dass sie, anders als Nyborg, eine glückliche Ehe führt, rettet sie nicht.

Am Ende sind es ausgerechnet zwei alte weiße Männer, die den Teufelskreis durchbrechen. Bent Sejrø (Lars Knutzon), Birgittes väterlicher Freund und Mentor, der inzwischen an Demenz leidet. Ob auf dem Parteitag am Schluss die Demenz aus ihm spricht oder er einen klaren Moment hat, erfahren wir nicht. Und Torben Friis (Søren Malling), Katrines ehemaliger Chef, der irgendwann verstanden hat, was Macht mit Menschen macht und auch mit ihm gemacht hat, seinen Chefposten aufgegeben hat und dem es seither viel besser geht.

Und noch etwas wird wieder einmal deutlich: Die Privilegien, die Politiker zweifellos haben, sind lächerlich im Vergleich zu dem Preis, den man dafür zu zahlen hat. Na gut, ein echtes Privileg gibt es: Wenn du die Knochenmühle Politik überstehst, dann winkt eventuell am Ende ein auskömmliches Pöstchen bei der EU. So deutet es sich zum Schluss jedenfalls bei Birgitte Nyborg an. Es spricht nur vieles dafür, dass einer wie ihr das nicht reichen wird.

An alle mit Netflix-Abo ergeht hiermit dringende Anschauempfehlung mit dezentem Befehlscharakter.



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Borgen - Macht und Ruhm. 8 Folgen à ca. 60 min. seit 2. Juni auf Netflix

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