Bis 2050 können Wind und Sonne locker den gesamten Energiebedarf der Welt decken – und schöpften damit ihr Potenzial gerade mal zu einem Hundertstel aus. Der Preiszerfall macht es möglich. Das stellt der britische Think Tank Carbon Tracker in der Studie «The Sky is the Limit» fest.
«Eine neue Epoche, vergleichbar mit der Industriellen Revolution, hat begonnen. Die Energiepreise werden nur noch purzeln, Millionen werden vor allem in armen Ländern davon profitieren. Die Staaten werden sich befreien von teuren Importen für Kohle, Öl oder Gas. Und saubere Energien werden den Klimawandel bekämpfen und unseren Planeten von der tödlichen Umweltverschmutzung befreien». Man hört die frohe Botschaft nur zu gern, die der Energiespezialist Kingsmill Bond vom britischen Think Tank Carbon Tracker verkündet. Alles wird gut, binnen von nur drei Jahrzehnten wird die Welt eine andere sein, befreit von den Altlasten des Industriellen Zeitalters, das ganz auf die nicht erneuerbaren Ressourcen der Erde gesetzt hatte, und mehr noch: befreit auch von der Zwängerei energiehungriger Staaten der Ersten Welt, die die rohstoffreichen armen Länder ausplündern.
Die ökonomischen Voraussetzungen seien inzwischen mehr als nur erfüllt. 60 Prozent der solaren Ressourcen und 15 Prozent der Windfelder könnten preislich schon heute mit der lokalen fossilen Konkurrenz mithalten. Bis 2030 gelte diese für die gesamte Solarenergie und die Hälfte des Windes. Denn die Preise dürften weiter mit dem Tempo der vergangenen zehn Jahre fallen – um jährlich 18 Prozent bei Solarenergie, um neun beim Wind. Dazu kommt das beispiellose Wachstum: Solarpanels um 39 Prozent jährlich, Windräder um 17 Prozent. Und erstmals in der Geschichte wurde im Jahr 2020 mehr Geld in erneuerbare Energien investiert als in nicht erneuerbare.
«Die Welt braucht dazu nicht einmal ihre gesamten erneuerbaren Ressourcen auszubeuten. Ein Prozent genügt, um sämtliche fossilben Brennstoffe zu ersetzen», sagt Harry Benham, Co-Autor der Studie. Um noch anschaulicher zu machen: das solare Potenzial der Erde ist mit 5800 Perrawattstunden so hoch wie sämtliche fossilen Brennstoffe der Erde zusammen, während der Jahresverbrauch weltweit 2019 65 Pettawattstunden erreichte.
Die grosse Hürde sei heute nicht mehr die wirtschaftliche, sondern die politische. Anderseits gebe es wichtige Wachstumstreiber, die auch die politischen Entscheidungen beeinflussen. Die historische Erfahrung zeige, dass günstige lokale Ressourcen rasch genutzt würden. Der Klimawandel treibe den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen an. Und weil 80 Prozent der Menschheit in Ländern leben, die auf Energieimporte angewiesen seien, böten erneuerbare Energien den Ausweg aus dieser Abhängigkeit, Zugang zu günstigerer Energie und viele neue Arbeitsplätze.
Grundsätzlich ist das Potenzial an erneuerbaren Energien überall auf der Welt höher als der Bedarf. Doch es gibt beträchtliche Unterschiede. Während etwa im subsaharischen Afrika das Potenzial 100mal höher ist als der Bedarf, sind grosse Teile Europas, Koreas oder Japans weniger gut aufgestellt. Ihr Potenzial ist maximal zehnmal höher als der Bedarf.
Doch das Beispiel Deutschlands, das seit über zwei Jahrzehnten den Ausbau erneuerbarer Energien mit Subventionen vorantrieb, als die Preise noch um ein Vielfaches über den heutigen lagen, und obwohl es die drittschlechtesten natürlichen Voraussetzungen dafür hat, zeige gerade, was möglich sei. «Wenn Deutschland die Energiewende schafft, dann ist das überall auf der Welt möglich.» Und danach sieht es aus. Eine neue Studie der Denkfabriken Agora Energiewende und Stiftung Klimaneutralität zeigt, dass ein klimaneutrales Deutschland sogar schon 2045 möglich ist – fünf Jahre früher als geplant.