Ein verzweifelter Hilfeschrei!
Sind Krankenhausköche noch Köche oder schon Sadisten? Jeder, der einmal wegen eines Zipperleins, sein örtliches Krankenhaus aufsuchen musste, weiß, dabei handelt es sich offensichtlich um eine rhetorische Frage. Denn sie sind angehalten nicht explizit Speisen zuzubereiten, sondern Nahrungsmittel zur Lebenserhaltung der Patienten. Unwillkürlich fragt man sich, was hat ein Krankenhauskoch eigentlich gelernt? Kfz-Mechaniker, Tierkadaverentsorger oder einfach nur ein armer Arbeitsloser der vom Jobcenter gezwungen wurde den Job zu machen. Kliniken müssen Profit erwirtschaften und freuen sich über jede ungelernte Kraft, die wenigstens eine Kartoffel von einer Motorsäge unterscheiden kann. Wer diese Voraussetzung erfüllt, hat praktisch eine Lebensstellung. Kenntnisse im Bereich Lebensmittel sind nicht zwingend erforderlich, können sogar als Ausschlusskriterium gelten. Denn, wer zu viel weiß, der kommt plötzlich eigene Ideen. Da wird womöglich ein unschuldiger Blumenkohl mit einem Hauch Muskat gequält. Solche Exzesse sind in Krankenhäusern nicht gerne gesehen. Wie hat einmal ein nicht näher genannt werdender Arzt, unter Einfluss von Alkohol, zugegeben: „Das Essen der Patienten, muss so elendig aussehen, wie sie selbst sich fühlen!“
Für so eine Aussage gehört er vor ein Tellergericht gestellt und abgeurteilt.
An dieser Stelle nun der schockierende Bericht eines Betroffenen. Bitte nur lesen, wenn sie seelisch als auch körperlich stabil sind. Herzpatienten wird dringend abgeraten weiter zu lesen. Sie tun es auf eigene Gefahr und ihre Krankenkasse kommt für etwaige Folgeschäden nicht mehr auf, denn sie verlassen nun den gesicherten Bereich, wo ihnen eine Heile-Welt vorgegaukelt wurde.
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Elendig liegt es vor mir, ein Tablett mit dem, wie die Nachtschwester mir suggeriert, dem Abendbrot. Viele kleine verpackte Döschen und der dünnsten zu schneidenden Scheibe wurstähnlich zusammengepresstem. Gott stehe mir bei. Solides Kommissbrot, vor dem jeder Gebissträger erzittert. Erinnerungen an Stalingrad werden wach. Dazu feinstes Tafelsilber, in Form eines Messers, dessen Schneidefähigkeit gegen null tendiert. Sicherheitsgründe scheinen dies notwendig zu machen. Patienten könnten sonst, angesichts des Grauens auf dem Teller, mit dem Gedanken spielen, sich die Pulsadern zu öffnen. Und sie hätten wahrlich allen Grund dazu. Durch die Scheibe einer Käsesorte, die zurecht nicht näher genannt sein mag, sehe ich die untergehende Abendsonne. Auch sie kann den Anblick wohl nicht länger ertragen. Ein Döschen Parfait, in Rauch gegart, so stand es einladend auf der Verpackung. Besser man hätte es gleich im Feuer verbrannt.
Eine Tomate, längst ihrer Spannkraft beraubt. Bereits in den Ruhestand versetzt, bot sich an als vitaminreiche Beigabe. Dabei sind ohnehin schon Tomaten, die Rache Hollands für das WM aus 1974. Nur die altbewährten Freunde, die Best Buddys „Pfeffer und Salz“ , hätten dem roten Wasserball noch etwas Leben einhauchen können. Doch in einer deutschen Krankenhausküche gelten sie als Persona non grata. Gewürz freies Kochen ist dort oberste Regel. Nichts darf eine verkochte Nudel, ein zähes totes Stück Rind oder einer seiner Farbe beraubtes Broccoliröschen, in seiner natürlichen Geschmacklosigkeit stören. Gewürze sind die Feinde der Köche, mit ihrem subversiven Angriff auf die Geschmacksrezeptoren, die zuhauf im Gaumen und auf der Zunge darauf warten gekitzelt zu werden. In Krankenhäusern wird jedoch ihrer Dienste, nicht bedurft. Sie sind Ausgestoßene.
Nachdem der Würgereflex gerade noch zurückgehalten werden konnte, nehme ich widerwillig und nur aus einem Überlebenswillen heraus, die Nahrung auf. Freude oder Lustgewinn sind nicht mehr vorhanden. Während ich kaue, halte ich mir die Nase zu. Ich muss nicht auch noch riechen, was mich da am Leben erhalten soll.
Dann ist es vollbracht. Ungenießbares wurde vertilgt. Doch die schwerste Prüfung steht mir noch bevor. Denn früher oder später wird der Moment kommen, der meine ganze gute Erziehung, meine Selbstbeherrschung fordern wird.
Die Tür geht auf und mit ihrem bezaubernden Lächeln erscheint die Krankenschwester meines Vertrauens und möchte das Tablett wieder abräumen. Ich bebe, ich zittere, dem unvermeidlichen entgegen und wünschte mir nichts mehr, als möge der Kelch an mir vorübergehen. Doch auf Gnade darf ich nicht hoffen, denn sie muss, sie darf nicht anders, als die Frage aller Fragen zu stellen, da ihr mein Wohlergehen eine Herzensangelegenheit ist. Dafür lebt sie ihren Beruf, der ihr eine Berufung und Erfüllung zugleich ist. Schon hat sie das Tablett in ihren Händen und sie sieht zu mir herunter, auf das Bett, in dem ich gerade bete, sie möge es nicht tun.
Doch sie kann nicht anders. Langsam öffnet sie ihren Mund. Ich schließe fest meine Augen und hoffe so, den Satz nicht zu hören.
„Na, hat es geschmeckt?“
Zu spät, er war nicht zu überhören und dann geschieht etwas, was ich nie und niemals von mir erwartet habe. Ein Mann, ein Baum von einem Kerl, mit beiden Beinen im Leben stehend, bricht schluchzend in sich zusammen. Nur noch ein Häufchen Elend. Ein Schatten seiner selbst. Tröstend nimmt sie meinen Kopf an ihre Brust. Sie bringt die Liebe auf, zu dem der Koch nicht fähig ist. Salz, nur etwas Salz, könnte dafür sorgen, mich vor solch peinlichen Situationen zu retten.
Doch bereits morgen, stehen erneut drei große schwere, schier unüberwindbare Herausforderungen an, von denen ich jetzt schon weiß, ich werde daran scheitern. Frühstück, Mittag- und Abendessen!
Wo bist Du, Johann Lafer? Rette uns aus der Hölle!
Und all ihr da draußen, die ihr unter de Knechtschaft eines Systems der Geschmacklosigkeit leidet, erhebet euch. Lasst uns gemeinsam den Kampf aufnehmen und unseren Freunden „Pfeffer&Salz“ zu ihrem Recht verhelfen, in jedes Krankenzimmer Einzug halten zu können. Frei und ohne Gängelei.
Nachfolgend nun ein Aufruf, ein Appell, ein Hilfeschrei. Gerichtet an den Mann, der wie kein zweiter seiner Pornobalken stolz im Gesicht trägt. Wer so mutig der Bartmode trotzt, der muss uns zur Seite stehen, wenn tausende Blinddarmdurchbrüche, dutzende Beinamputierter und die unzähligen unnötig operierten auf die Barrikaden gehen und unter dem Lärm tausender Bettpfannen, ihr Recht auf Speisen und nicht auf Nahrung, sich erkämpfen. Und Du, holder Recke aus der Steiermark, weise uns den Weg.
Ab jetzt heißt es: Nicht mehr nur labern – nun lafern wir!
Deutschland höre! Möge jeder dieses Pamphlet unterzeichnen und es direkt an Johann Lafer senden. Wo auch immer du gerade bist, Johann Lafer, diese Zeilen werden Dich erreichen, sonst sind wir gezwungen sie an Steffen Henssler zu schicken. Denn er steht wie kein Zweiter für labern. Johann, wir als zwei alte Kampfgefährten, lass es Wirklichkeit werden.
Hängen wir dieses Manifest millionenfach an jeden Baum, jeden Rollstuhl und heimlich auf jeden Rücken des medizinischen Personals.
Dies als letzte Warnung, ehe wir zu drastischeren Maßnahmen greifen müssen und die Kantinen der Welt kapern und entern.
Als „Salt&Pepper“, wie einst „Bonnie&Clyde“
Möge unser Schlachtruf sein: Genesen dank Geschmack!
Ruft es von dem Gipfel der Zugspitze oder auf den Deichen der Nord-, Ost, Süd- oder Westsee. Blast in das Matterhorn zum letzten Gefecht.
Johann Lafer, wir zählen auf Dich! Führe uns an! Heraus aus der kulinarischen Ödnis, heim ins gelobte Land, wo Milch und Honig fließt und niemand wehrlosen Salat in Balsamico ertränkt. Keine Kartoffel verdient es mit Füßen getreten und als Püree zu enden. Die Kartoffel ist stolz und verdient auch so behandelt zu werden. In Stäbchen geschnitten und in Öl frittiert, sanft mit Salz gestreichelt und einer Beigabe von Mayonnaise. So und nicht anders begegnet man einer Kartoffel! Rosenkohl und Spinat sind Ziergewächse und sollten nicht auf Tellern liegen, sondern unter Artenschutz stehen. Kein Schwein, welches sich für uns gemästet hat, verdient es, in einer eiterähnlichen Substanz liegen zu müssen, unter dem Titel: Schweinebraten. So etwas ist eine Sauerei! Die Zucchini ist, von Hause her eher ein geschmacksneutrales Gemüse. Es in Wasser zu ertränken hilft dagegen wenig. Die Pfanne macht den Unterschied. Sie schenkt uns Röstaromen. Da freut sich die Zucchini. Das deutsche Ei fühlt sich dagegen regelrecht gemobbt. Zum Frühstück würde es sich freuen, dotterweich und warm den Patienten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Doch es wird gemieden und hält nicht den Einzug in den Speiseplan. Wahrscheinlich, weil es auf den Punkt zu garen, dem Laienkoch seine Grenzen schonungslos aufzeigt. Und wenn der Koch auch nur etwas Ehre im Leib hätte, würde er sich für den suizidalen Weg entscheiden. Dabei hätte er die volle Unterstützung und Rückendeckung seiner hinterbliebenen Patienten. Jede Entscheidung im Sinne hungriger Patienten, ist nur zu begrüßen.
Vieles wäre noch kritikwürdig, doch die Hoffnung auf ein hartes Durchgreifen vom Godfather of Töpfen und Pfannen, die Lichtgestalt, der österreichische Moses, der sein Volk ins gelobte Land führt. Johann der schnauzbärtige Lafer, ist die letzte Hoffnung.
Er ist das Licht in dunkler Nacht, das uns leuchtet. Der Butterberg in der Brandung. Der Leuchtturm, inmitten eines Meeres aus Tomatensuppe. Johann Lafer, schon der Name lässt einem den Mund wässrig werden. Johann Lafer, Bitte übernehmen Sie!
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