Im rechten Wort gewandet findet sich der rechte Weg zur Weisheit.

Einleitung

Ich lese gern Bücher aus der Vorkriegszeit, weil damals unsere Sprache noch ungleich vielfältiger und ausdrucksvoller war, saftiger und klarer, schöpfungskräftiger und reicher, viel klangvoller. Je mehr ich darüber nachsinne, fallen mir umso mehr Beispiele auf, wie unsere Sprache degenerierte, wie sie verwässert wurde.

Dabei kommt mir zugute, dass ich mal das ‚große Latinum‘ gebaut habe und mich beruflich in einem englischsprachigen Umfeld bewege, dem ‚Business‘. Daher springen mir die Lehnwörter, die aus diesen zwei Sprachen entlehnten Wörter, rasch in Auge und Ohr. Ich sollte wohl dazu bemerken, dass ich gutes Englisch liebe und fast ebenso genieße wie gutes Deutsch.

Hier geht es nicht um eine Rangfolge von Sprachen, jede hat ihre Berechtigung und Eigenart. Aber Kraft und Würde des Deutschen haben in den vergangenen Jahrzehnten erhebliche Minderung erfahren, aus Gründen, auf die ich nebenbei eingehe. Das geschah und geschieht auf drei wesentlichen Weisen:

  1. Ersatzloses Streichen deutscher Stammwörter [1], so dass der Bedeutungsraum nur noch umschrieben werden kann oder ganz unzugänglich wird,
  2. Verdrängung deutscher Stammwörter durch fremdsprachige Lehnwörter,
  3. Sinnentstellung durch Verdrehen und Verengen der Bedeutung.

Ich finde es beglückend, diesen versunkenen Schatz alter Stammwörter wieder zu heben.

Ihr werdet bemerken, wie ich beim Schreiben, so gut es ohne Verrenkungen geht, die üblichen Fremd- und Lehnwörter meide und an deren Stelle deutsche Wörter verwende. War das zu Anfang noch ungewohnt und sperrig, so fühlt es sich mittlerweile an, als sei ein eingerostetes Schwungrad in meiner Brust wieder geschmiert und drehe sich immer geschwinder. Täglich tun sich spielerisch neue Vernetzungen und Möglichkeiten auf.

Ich möchte noch bemerken, dass es bei ‚Deutsch‘ und ‚Deutschen‘ nicht um Staatsgrenzen oder Nationen geht, sondern um einen Sprach- und Kulturraum und eine darin sich ausdrückende Mentalität und Volksseele; dieser Raum erstreckte sich durch die Jahrhunderte mit fließenden Grenzen und mit anderen Ethnien überlagert über das gesamte Zentraleuropa zwischen Frankreich und Russland. Wohl hatte das Deutschtum, wo immer es auftrat, gegenüber anderen Ethnien und Sprachen meist eine dominante Rolle inne. Das hat Gründe, und die besondere Qualität der deutschen Sprache ist einer davon.

Es folgt eine Einführung in die Hintergründe. Ihr könnt sie gern überspringen und gleich im verlinkten Blog mit "Wortschätzen" stöbern, hier auf Publikum oder auf Telegram. Aber wer sich in die Hintergründe vertiefen möchte, für den lohnt es sich. Versprochen.

Die Wortschätze sind in weiten Teilen Ergebnis langer Gespräche mit meiner Frau Martina oder gemeinsam verfasst. Für wesentliche Inspirationen und Einsichten danken wir Christa und Alf Jasinski, Bine von Durchschauen, Tobias Sommer, Martin Buber, Werner Bergengruen, Franziska Krattinger, Martin Laker, William Toel, Wladimir Megre und Anastasia.  Ich verweise auch gern auf den Blog "Verlorene Worte" der Gruppe um William und Lisa Toel.

Wichtigste Referenz ist das Deutsche Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.

Eine Fundgrube für mich als Ingenieur ist das dreiteilige Werk „Der Siegeslauf der Technik“ von Max Geitel, worin der Stand der Technik zu Anfang des 19. Jahrhunderts in ausgezeichnetem Deutsch beschrieben ist. Wer heute im technischen Vertrieb oder gar im ‚Marketing‘ tätig ist, wird wissen, wie sehr diese Branche sprachlich von Anglizismen beherrscht wird und wie selten heute noch technische Erzeugnisse in einem Deutsch beschrieben werden, das diesen Namen verdient.

Abkürzungen: lat. = lateinisch, engl. = englisch, ahd. = althochdeutsch, mhd. = mittelhochdeutsch, frz. = französisch, ital. = italienisch, f.= femininer Genus, m. = maskuliner Genus

Hintergründe

Der amerikanische Deutschlandkenner William Toel spricht davon [2], dass nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Aliierten etwa 2000 Worte aus der deutschen Sprache entfernt wurden, zur Schwächung des Deutschen und der deutschen Mentalität; unter dem Vorwand einer angeblich notwendigen Umerziehung und Entnazifizierung wurde und wird von britischen und amerikanischen Kreisen eine planvolle kulturelle und sprachliche Ent-Deutschung, Zersetzung und Entwurzelung betrieben, welche heute im Phänomen der ‚Anti-Deutschen‘ und des Gendersprech vorerst ihren traurigen Höhepunkt erreicht. Es sei jedem selbst überlassen, dies zu glauben oder nicht – mir scheint es eine stimmige Erklärung dessen, was wir täglich beobachten können.

Natürlich kann man Wörter nicht vernichten. Aber man kann sie verdrängen, man kann sie verbannen. Hat man die Kontrolle über Massenmedien und Schulbücher, ist das ein Leichtes. Gewisse wirkmächtige und archaische deutsche Wörter wurden konsequent gestrichen und/oder durch andere Worte ersetzt. Manche wurden in ihrer Bedeutung verkehrt, so dass sie nur noch sinnverwirrt verwendet werden. Diese verdrängten Wörter und ihre ursprüngliche Bedeutungen haben in kleinen Inseln überlebt, in Sprichwörtern und festen Redewendungen, und natürlich in älteren Schriften; von dort kann man sie wiederbeleben.

Solche Ersetzungen und Verdrehungen aufzudecken und rückzuführen ist eine spannende Schatzsuche, und darum soll es hier gehen. Dies ist keine wissenschaftliche Arbeit und erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Ich werde hier einfach darbieten, was ich gefunden und subjektiv für richtig erkannt habe.

Gelehrsamkeit

Die Schwächung des Deutschen begann Jahrhunderte früher, in Form der lateinischen und (in geringerem Maße) griechischen Gelehrtensprache, die dem alten Wissen über Heilkunde, Göttlichkeit und geschichtliche Überlieferung überstülpt wurde und daraus Medizin, Theologie und Historie werden ließ. Eine Kaste von Gelehrten entstand, die sich einer für das Volk unverständlichen Sprache bedienten, und dadurch ein Alleinstellungsmerkmal, eine Überlegenheit und einen Machtanspruch begründeten und durchsetzten. Das vorhandene alte Wissen wurde allmählich geschwächt, indem die Begriffe verdrängt und verdreht wurden. Ohne Begrifflichkeit kein Begreifen, und so rutschte das alte Wissen in die Unsagbarkeit und die studierte Fachgelehrsamkeit übernahm die Leitung. So wurde der größte Teil der Menschheit vom gemeinschaftlichen Schaffen und Bewahren von Wissen durch Erfahrung, Begreifen, eigene Forschung und eigenes Tüfteln ausgeschlossen und darin entmutigt, und wir gaben unser Schicksal und die ‚Wissenschaft‘ in die Hände von studierten Experten (lat. studiosus: eifrig, emsig, sorgfältig; lat. expertus: kriegserfahren, erprobt) mit immer kleinteiligeren Fachgebieten, über die sie eifersüchtig wachen, wo niemand mehr die Übersicht behält, das Ganze kennt und ganzheitlich denkt. Der alte Leitspruch ‚Probieren geht über Studieren‘ ist heute in sein Gegenteil verkehrt.

Latein

Latein ist eine Kunstsprache, synthetisiert aus den romanischen Sprachen der italienischen, französischen und spanischen Sprachfamilien, die viel älter sind. Sie wurde eigens geschaffen für den militärischen Gebrauch innerhalb der Vielvölker-Söldnerarmee der Latiner, aus denen später, nach der Eroberung der italienischen Halbinsel, die Römer wurden. Latein lässt eine besonders straffe und abstrakte Ausdrucksweise zu, aber es ermangelt des Gefühls. Somit kann man grausige Dinge auf eine neutrale Weise sagen, und wer die Wörter nicht kennt, kann nicht folgen – also bestens geeignet zur Geheimhaltung und Verschleierung. Ein paar Beispiele zur Verdeutlichung:

  • Ein Exemplar der Spezies Hyla arborea in vivo sezieren = einem Laubfrosch bei lebendigem Leibe den Bauch aufschlitzen.
  • Das Abdomen punktieren = eine lange Hohlnadel in den Bauch stechen.
  • Einen Kombattanten terminieren = einen feindlichen Kämpfer töten.
  • Antagonismus in Populationen kreieren = Zwietracht säen unter den Völkern.

Ihr spürt den Unterschied? Die deutsche Ausdrucksweise verbindet uns unmittelbar mit dem Geschehen, lässt es nachfühlen. Die lateinische Ausdrucksweise dagegen ist rein verstandesmäßig und trennt den Sprecher innerlich vom Gesagten ab. Sie ist emotional verarmt. Unser Inneres schwingt da nicht mit. Gefühl und Verstand spalten sich voneinander, und genau darin liegt die Schwächung. Das macht diese Sprache dann auch so geeignet und bezeichnend für den Wissenschaftsbetrieb, wo diese Abspaltung ausdrücklich gewollt ist.

Viele lateinische Lehnwörter erkennt ihr an Endsilben wie ‑ion, ‑ium, ‑ius, ‑ismus, ‑iv, ‑iert, ‑ieren, ‑ent, ‑enz oder den Vorsilben re-, de-, ad-, ex-, per-, pro-

Eine zweite Welle der Latinisierung und Zersetzung über das Englische

Bis zu den Weltkriegen war Deutsch die führende Sprache von Philosophie, Wissenschaft, Kunst und Technik. Nach den Weltkriegen wurde es Englisch. Heute ist es obligatorisch für jeden Akademiker (lat. obligatio: Verpflichtung, lat. academia: Hochschule), d.h. Pflicht für jeden Gelehrten, der Geltung beansprucht, seine Gedanken auch oder zuerst auf Englisch zu veröffentlichen. Das verleitet umso mehr dazu, auch im Deutschen Lehnwörter und Anglizismen zu verwenden. Vergleiche ich akademischen Schreibstil vor und nach den Kriegen, dann ist mir die daraus sich ergebende Sprachveränderung augenfällig.

Denn das Englische ist selbst noch viel umfassender von Lehnwörtern, insbesondere von Latein durchsetzt als das Deutsche ohnehin schon war. Schauen wir uns mal einen typischen Satz in Englisch an; gutes Englisch von einem amerikanischen Sprachforscher, dessen Werk ich sehr schätze: Neil Douglas-Klotz und dessen Übertragung von Jesu Sprüchen aus dem Aramäischen, hier eine der Seligpreisungen, englisch Beatitudes:

Healed are those who have the courage and audacity to feel abundant inside; they shall envision the furthest extent of life’s wealth.

Hier sind haufenweise lateinische Lehnwörter in ein englisches Gerüst eingebunden:

  • Beatitude, von lat. beatitudo: Glückseligkeit
  • courage, von frz. courage, von frz. cœur: Herz; lat. cor: Herz
  • audacity, von lat. aude: wagen; im Sinne von mutig sein.
  • abundant, von lat. abundo: überfluten, überströmen; abundantia: Überfluss, Fülle
  • envision, von lat. visio: Erscheinung, Vision, Anblick; von lat. vidēre: sehen
  • extent, von lat. extendo: ausdehnen, ausbreiten, erstrecken

Dasselbe Prinzip greift auch in heutigem Deutsch: haufenweise Lehnwörter in ein deutsches Gerüst eingebunden. Die sogenannten Anglizismen sind oft in Wirklichkeit ebenfalls Latein. Ein Satz typisches Business-Deutsch, wenn man diesen Sprachbastard überhaupt noch Deutsch nennen will – zugegeben ein extremes Beispiel, aber sowas lese ich öfter:

Homeoffice im Lockdown ist ein Benefit für die Firmen, denn es ermöglicht den Managern permanentes Monitoring der Produktivität und Performance ihrer Teams, und Optimierung der Effizienz von Meetings.

Die Aufschlüsselung der Lehnwörter:

  • Office, von lat. officium: Dienst, Verrichtung, Amt
  • Lockdown, von engl. lock: Schloss, einschließen; enthält lat. locus: Ort
  • Benefit, von lat. beneficus: wohltätig, gefällig
  • Firma, von lat. firmo: fest machen, befestigen, das Namensschild über der Ladentür
  • Manager, engl. manage: handhaben, leiten; ital. maneggiare: handhaben; lat. manus: Hand
  • permanent, lat. permaneo: ausharren, fortdauern, bleiben
  • Monitoring, lat. monitor: Mahner, Warner; lat. monita: Erinnerung, Ermahnung
  • Produktivität, von lat. produco: vorwärtsbringen, hinführen, vorführen
  • Performance, von lat. per-formatio: Durch-Gestaltung, Durchbildung; Fertigstellung
  • Team, engl.: Mannschaft; altengl. tēam: Nachkommenschaft, Familie; Gespann
  • Optimierung, von lat. optimum: das Höchste
  • Effizienz, lat. efficio: hervorbringen, zustande bringen; bewirken => Wirksamkeit
  • Meeting, engl.: Zusammentreffen; darin auch das nordische Ting: Versammlung

Was bewirken Lehnwörter?

Was ist nun der Nachteil von Lehnwörtern?

Sie sind schwächer, da sie in uns weit weniger resonieren, unsere Seele weniger mitschwingen lassen, unser Gemüt weniger berühren. Die scheinbare Eleganz und Weltläufigkeit dieser Wörter geht einher mit einem Verlust an Tiefe, an Gefühl, an Beziehung und Bezug; einem Verlust an Dichte und Aroma, an Nährung und Fruchtbarkeit. Es ist wie das Ersetzen von selbstgepflückten Kräutern durch Maggi, von selbst zubereiteten Speisen aus regionalen Zutaten durch importierte Südfrüchte, Konserven oder Tiefkühlkost.

Nutzen wir dagegen die heimischen Wörter, dann bekommt unsere Sprache Gefühl, Wirkung, Farbe und Kraft – sie gewinnt an Schöpfungskraft.

Eine andere Analogie: die verarmte Sprache, mit Lehnwörtern gespickt, ist wie ein Ton vom Synthesizer, glatt und mit wenigen harten Obertönen. Die ursprüngliche, heimische Sprache ist wie ein Flötenton, vom menschlichen Atem erzeugt, mit unzähligen Obertönen und Geräuschen.

Wir Deutschen waren vor den Kriegen noch berühmt für unsere reiche Gefühlswelt, unsere Herzlichkeit und Romantik, unseren zupackenden Mut, unsere hochfliegende Philosophie. Dass wir heute in der Welt als kalte ängstliche Paragraphenreiter verschrien sind, liegt neben dem Kriegstrauma vielleicht ebenso an der absichtlichen Zersetzung und Ausweidung unserer Sprache.

Bubers drei Ebenen des Wortschatzes

Martin Buber, ein Großmeister der deutschen Sprache und des philosophischen, erkenntnisstiftenden Zwiegesprächs, definierte in seinem großartigen Vortrag von 1962 „Das Wort, das gesprochen wird“ diese drei Seinsweisen der Sprache:

Präsenter Bestand: die Gesamtheit des in einem bestimmten Sprachbereich in einem bestimmten Zeitabschnitt sagbaren; auf das Sagenkönnen des zu Sagenden hin betrachtet. Ort des Bestandes ist das Miteinander aller lebenden Sprecher dieses Sprachbereiches.
Potenzieller Besitz: die Gesamtheit des in einem bestimmten Sprachbereich von je geäußerten, also zu Laut und Schrift gewordenen, insofern es sich noch als einbeziehbar erweist, also von Menschen dieses Sprachbereichs heute und hier noch verstanden werden kann. Der Besitz erstreckt sich vom Höchsten bis zum Trivialsten.
Aktuelles Begebnis: die Gesprochenheit, das Gesprochenwerden, aus dem verwirklichungsfähigen Willen von Sprechern zur Kommunikation.

Warum ist mir das hier wichtig? Weil zur Sprachschwächung ganz wesentlich gehört, zum einen: die Verdrängung von deutschen Stammworten aus dem Bestand in den Besitz, also aus dem aktiven, in Gebrauch befindlichen Wortschatz in die Mottenkiste. Die Stammwörter können aber aus dem Besitz wieder in den Bestand überführt werden. Zum anderen: die Verengung und Verdrehung solcher Stammwörter, so dass sie im Bestand, im heutigen Gebrauch eine völlig andere Bedeutung bekommen haben. Ihre eigentliche Bedeutung kann dann aus dem Besitz wiederhergestellt werden.

Haben wir die Stammwörter in unseren Bestand zurückgeholt und in ihrer Bedeutung geläutert, dann erst können wir sie wieder im aktuellen Begebnis des miteinander Redens nutzen, ohne Befremdung und Missverständnis zu erregen. Und somit erweitern wir den Bereich des Sagbaren und vertiefen unsere Kommunikation (von lat. communis: gemeinsam, gemeinschaftlich, öffentlich; daher communico: teilen, mitteilen, besprechen, vereinigen); oder anders gesagt: wir erobern uns den Raum des Sagbaren und die Fülle und Tiefe unserer Mitteilungen zurück.

Deutsch und Deutung

Die Bezeichnung Deutsch für unsere Sprache leitet sich ab vom ahd. diota (Volk) und ahd. diutisc (deutsch oder theodisch), daher diutisciu sprāhha. In manchen Regionen geht der Anlaut vom D zum T, also teutā (Volk, Land), germanisch þeudō (Volk, Stamm).

Eine andere Ableitung gibt Christa Jasinski [3] von ahd. diuta (Deutung), daraus diuta sprāhha, altkeltisch deutlik Sprakka, also die deutliche Sprache, oder von mhd. diute (Deutung, Bedeutung). Diese Ableitung ist nicht gesichert, aber klanglich naheliegend. Deutsch ist die Sprache, in der sich Bedeutung besonders deutlich sagen lässt. Auf die Gesprochenheit kommt es an, denn da wird Deutlichkeit und Klang zu ätherischer Wirksamkeit.

Deutsche Verdichtung

Geist verdichtet sich zu Worten. Deutliche Worte verdichten Bewusstseinsinhalt zu Wirksamkeit und zu Stoff. Und Deutsch ist für diese deutliche und gefühlvolle schöpferische Verdichtung besonders geeignet.

So lautet, kurz gefasst, meine Auffassung der besonderen Eigenart und Stärke des Deutschen.

Unsere Sprache zeichnet sich aus durch ihre besondere Eignung zur Verdichtung und dadurch zur intensiven Vernetzung von Gedanken. Jedes ausgesprochene deutsche Wort lässt hunderte andere mitklingen, wie Obertöne zu einem Grundton. Somit bilden wir leicht gedankliche Verknüpfungen oder Assoziationsketten (von lat. associo: verbinden, vereinigen), können gedanklich rasch springen und größere Bedeutungsräume mitdenken, größere Fülle spüren. Das umso mehr, je mehr wir auf die Lehnwörter verzichten, mit denen genau dies nämlich nicht zum tragen kommt!

Die zusammengesetzten Hauptwörter ermöglichen es uns, komplexe Sachverhalte (lat. complexio: Verbindung, Verknüpfung) zu einem einzigen Wort zu verdichten, mit einem eindeutigen Wort gedanklich zu handhaben, wofür andere Sprachen viele einzelne Worte benutzen müssen. Und wir können somit auch komplexere Gedanken denken und Komplexität leichter gedanklich beherrschen.
Ein Beispiel: die Eichenprozessionsspinnerraupe wäre für Engländer caterpillar of oak processionary moth, für Franzosen la chenille processionnaire du chêne. Im Deutschen reicht ein Wort und somit ein Gedankenbild, wo die beiden anderen Sprache derer drei bis vier benötigen und noch Hilfswörter dazwischen. Das bedeutet auch eine erhöhte Denkgeschwindigkeit.

Gedanke, Wortgeschichte und Gefühl

Wenn man nun weiß, dass ein klares Gedankenbild verbunden mit Gefühlsladung und Absicht Materie beeinflusst, ja selbst bereits feinstoffliche Materie ist und Materie erst erzeugt, dass Atome im Grunde nichts anderes sind als gefestigte Gedankenwirbel, mit denen unser Geist primär über Sprache arbeitet und wechselwirkt, dann begreift man allmählich, wie wichtig die Worte sind – und wie sehr es auf Klarheit, Ganzheitlichkeit und Geschwindigkeit unseres Denkens ankommt, das in diesen Worten sich darstellt. Nicht umsonst steht das Wort als Klang („und Gott sprach“) am Anfang der biblischen Schöpfungsgeschichte. Denken als Inhalt und Sprache als Form sind untrennbar.

Sprechen sehe ich als Vierheit aus:

  1. der Absicht, dem zu vermittelnden Gedanken. Ist dieser zu Ende gedacht oder Fetzen? Bin ich mit den Gedanken bei der Sache und in jedem Wort präsent?
  2. der Wortgeschichte. Ein Stammwort hat eine jahrhundertealte Herkunft und überlieferte Bedeutung, die das Unterbewusstsein eines Muttersprachlers sehr wohl spürt, die er idealerweise auch im Bewusstsein trägt. Passt das Wort von seiner Wortgeschichte her zu meiner Absicht? Trägt es auch das stimmige Gefühl? Sagt es aufgrund einer Verdrehung eigentlich etwas anderes? Ist es nur eine leere Hülse, wie die Lehnwörter?
  3. der inneren Gefühlslage. Spüre ich, was ich sage/schreibe? Bin ich wahrhaftig und stehe innerlich zu meinem Wort? Bin ich bloß höflich? Betreibe ich Framing und Manipulation? Lüge ich gar?
  4. im Falle der Gesprochenheit: dem Klang. Spreche ich deutlich artikuliert? Resonant? Mit einem Akzent oder in einem Dialekt, und weiß ich darum? Können meine Zuhörer ihn verstehen? Bin ich körperlich aufrecht?

Ein deftiges Beispiel zu 2): Du denkst an einen Freund, begegnest ihm dann zufällig im Park und begrüßt ihn mit „Ja hallo! Wahnsinn! Das ist ja toll, dass ich dir hier treffe!“ Dann mach dir klar, dass ‚hallo‘ von der Wortgeschichte her kein Gruß ist, sondern ein Herbeirufen im befehlenden Sinne; dass ‚Wahnsinn‘ eine Geisteskrankheit mit Realitätsverlust meint; ‚toll‘ bedeutet, des Verstands und des Bewusstseins beraubt zu sein; und ‚treffen‘ bedeutet im Althochdeutschen zielgenau schlagen, verwunden, ja sogar töten. Was hast du also gerade zu deinem Freund gesprochen?

Dazu aus der Buchreihe Thalus von Athos, Band 7:

»Jedes Wort ist eine Geschichte der Wortherkunft und eine Signatur mentaler Inhalte. Jeder Buchstabe, jede Silbe hat seine Urgeschichte, wodurch wir Menschen in eine kosmische Kommunikation geraten. Das kann weder Fauna, noch Flora. Selbst unausgesprochene Worte haben diese Energie im Feinstofflichen, worin wir astral leben. So hat jeder Gedanke bereits die Kraft, sich astral und physisch zu manifestieren.«
»Woran liegt es dann, dass wir uns so häufig nicht verstehen?«
»An der Tatsache, dass wir die eigenen Wesensgedanken nicht zu Ende führen«, erwiderte Mara. »Nur wenige von euch denken einen Gedanken zu Ende, weil dazwischen immer wieder neue, unausgegorene Gedanken einfließen. Es wird zu viel angedacht und zu wenig zu Ende gedacht. Ich könnte jetzt auch sagen, es liegt an eurer Konditionierung, nicht mehr hinhören zu wollen und lieber konstant zu reden. Also zerredet ihr euch gegenseitig, was ihr dann als Philosophieren bezeichnet.«
»Es kommt noch ein weiterer Punkt hinzu«, fügte sie an. »Bei euch stimmen ganz oft Wort und Gefühl nicht überein. Das irritiert jeden Gesprächspartner, weil er das auf energetischer Ebene mitbekommt.«

Wenn diese vier – Absicht, Wortgeschichte, Gefühl und Klang – kohärent sind, miteinander übereinstimmen, hat unser Sprechen Kraft und Wirkung und wird bestmöglich verstanden.


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[1] Als Stammwort zähle ich, was laut Grimm mindestens schon im Mittelhochdeutschen anwesend war.

[2] Bletchley Park: die psychologische Kriegsführung gegen Deutschland.
(als freies eBook online).
[3] In der Zeitschrift Garten WEden, Ausgabe 115, Themenheft "Sprache"