Berlin - Politiker verschiedener Parteien sorgen sich um die Funktionsfähigkeit des Bundestags nach der Wahl, würde er wegen vieler Überhangmandate sehr groß werden. "Sollten es mehr als 840 Abgeordnete werden, dann habe ich eine Woche lang schlaflose Nächte", sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) dem "Spiegel".
Die Regelgröße des Bundestags sind 598 Sitze, derzeit sind es 709. Nach der Wahl könnten es Experten zufolge aber noch deutlich mehr werden. Denn wenn eine Partei über per Erststimme gewonnene Wahlkreise mehr Sitze erhält, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen, bekommen die anderen Parteien so viele Ausgleichsmandate, bis das Kräfteverhältnis wieder hergestellt ist. Wenn sich die Zweitstimmen immer gleichmäßiger auf immer mehr Parteien verteilen, was laut Umfragen derzeit der Fall ist, wird der Bundestag immer größer. Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD hatte trotz vieler Warnungen und nach langen Verhandlungen nur eine wenig wirksame Wahlrechtsreform verabschiedet, die Experten zufolge nicht verhindern wird, dass der Bundestag weiter anwächst.
Claudia Roth, Bundestagsvizepräsidentin von den Grünen, nennt das derzeitige Wahlrecht "ein Beschaffungsprogramm für neue Hinterbänkler". "Wo sollen die alle im Plenum sitzen", fragt sie. "Wo treffen sich die Fraktionen?" Ihre Fraktionskollegin Britta Haßelmann, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, sorgt sich um die Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse, in denen die Facharbeit gemacht wird: "Wir können in den Ausschüssen nicht lauter Miniparlamente schaffen." Die Botschaft eines extrem großen Parlaments wäre verheerend, sagt der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Marco Buschmann: "Wie soll die Politik glaubhaft für Reformen werben, wenn sie sich nicht selbst durch ein gut gemachtes Wahlrecht reformiert?" Auch in der Union, die sich gegen weitreichendere Reformvorschläge der SPD und der Opposition gestellt hatte, gibt es besorgte Stimmen.
"Ab einer gewissen Größe des Bundestags wäre auch die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Arbeit gefährdet", sagte der CDU-Wahlrechtsexperte Ansgar Heveling dem "Spiegel".
Foto: Konstituierende Sitzung des Bundestages am 24.10.2017 (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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