Berlin - Ärztepräsident Klaus Reinhardt sieht das Vorgehen der Gesundheitsminister von Bund und Ländern kritisch, Auffrischimpfungen für Senioren und Immungeschwächte ohne entsprechende Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) anzubieten. Das sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben).

"Es spricht theoretisch einiges dafür, dass eine Auffrischimpfung für Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen, mit einem geschwächten Immunsystem sowie für Hochbetagte sinnvoll sein kann", sagte der Mediziner. "Nach bisherigem Kenntnisstand und Auffassung namhafter Experten ist sie aber für die meisten Geimpften nicht sofort nötig", sagte er. Insgesamt fehlten noch aussagekräftige Studien, ob, wann und für wen eine Boosterimpfung angezeigt sei, sagte Reinhardt dem RND. "Ich halte es deshalb für einen Fehler, dass Bund und Länder in der Breite Auffrischungsimpfungen angekündigt haben, ohne eine entsprechende Empfehlung der Stiko abzuwarten", beklagte der Ärztepräsident. Es sei zu erwarten gewesen, dass Patientinnen und Patienten nach dieser Ankündigung in den Praxen verstärkt Termine für Drittimpfungen nachfragten, so Reinhardt. "Da ist also von der Politik eine Erwartungshaltung bei den Patienten geschürt worden, die viele Ärztinnen und Ärzte ohne eine wissenschaftlich fundierte Impfempfehlung nicht bedienen wollen." Er könne daher alle Kollegen verstehen, die sich möglichst schnell eine klare Positionierung der Stiko wünschten. Reinhardt sagte, die Problemlage sei der Stiko bewusst. Sie arbeite derzeit intensiv an Empfehlungen für Auffrischungsimpfungen für Senioren und Immungeschwächte. Mehrere Bundesländer haben bereits damit begonnen, Pflegebedürftigen, über 80-Jährigen und Menschen mit Immunschwäche sogenannte Booster-Impfungen anzubieten. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten schon Anfang August beschlossen, dass dieses Angebot auch für Menschen gilt, die eine vollständige Impfung mit Vektor-Impfstoffen von Astrazeneca oder Johnson&Johnson erhalten haben. Als geeigneten Zeitpunkt haben die Minister sechs Monate nach dem Abschluss der ersten Impfserie genannt.

Foto: Impfspritze wird aufgezogen (über dts Nachrichtenagentur)

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