Straßburg - Zum Auftakt der "Konferenz zur Zukunft Europas" in Straßburg hat die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD), davor gewarnt, die Ideen der EU-Bürger zu missachten. Die EU-Kommission sei "sehr zurückhaltend, und der Rat der Staats- und Regierungschefs ist doppelt zurückhaltend", sagte sie dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben).

Dabei sei es sehr wichtig, dass die Bürger "bei der Modernisierung der EU ein wichtiges Wort mitzureden haben". Die Bevölkerung müsse die Möglichkeit bekommen, den Diskussionsprozess zu prägen. "Umso wichtiger ist es, dass die Bevölkerung und das Parlament ihre Kräfte bündeln." Das könne Druck auf die nationalen Regierungen ausüben. "Die Leute wollen ja schließlich zuhause wiedergewählt werden." Also müssten sie auch Rücksicht darauf nehmen, was ihre potenziellen Wähler von der EU erwarten. Es gebe aber "viele Akteure im EU-Betrieb, die gar nicht wollen, dass der Wille der Bevölkerung auch umgesetzt wird". Barley sprach sich dafür aus, das Vetorecht der Mitgliedsstaaten in der EU abzuschaffen. "Ein besonders großes Problem ist das Einstimmigkeitsprinzip, das ein reibungsloses Funktionieren der EU behindert", sagte Barley. "Es führt oft zu faulen Kompromissen." Zugleich müsse darüber gesprochen werden, die Kompetenzen der EU zu erweitern. Zu Beginn der Corona-Pandemie hätten manche Nationalstaaten, unter ihnen auch Deutschland, Lieferungen von Masken und Schutzausrüstungen nach Italien blockiert, sagte die frühere Bundesjustizministerin: "Hätte die Kommission in dieser Frage mehr zu sagen gehabt, dann wäre uns das vermutlich erspart geblieben." Am Samstag findet das erste Plenum der Konferenz zur Zukunft Europas in Straßburg statt. Beteiligt sind neben Bürgern aus der EU auch Europaabgeordnete wie Barley, Vertreter der nationalen Parlamente und der EU-Institutionen. Zusätzlich können auf einer digitalen Plattform Vorschläge gemacht werden. Die Konferenz geht auf die Initiative von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zurück.

Ursprünglich sollte der Reformprozess im Mai 2020 starten und zwei Jahre andauern. Der Ausbruch der Corona-Pandemie und ein Streit um die Frage, wer den Vorsitz der Konferenz führt, verzögerten jedoch den Beginn um ein Jahr. Der Abschluss der Konferenz ist für das Frühjahr 2022 geplant.

Foto: EU-Parlament in Straßburg (über dts Nachrichtenagentur)

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