Berlin - Die Gewerkschaft IG Bau und die Bauindustrie fordern angesichts der großen Wohnungsneubaupläne ein eigenständiges Bauministerium in der nächsten Regierung. "Das Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit", sagte der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Robert Feiger, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).
"Und diese hat das politische Gewicht eines eigenen Bundesministeriums verdient." Ein eigenständiges Bauressort könnte für eine "echte Wohnwende" sorgen. Auch der Chef des Hauptverbands der deutschen Bauindustrie (HDB) ist überzeugt: "Das Bauen muss zur Chefsache werden. Wir brauchen ein starkes Bundesministerium für Bau und Infrastruktur, um die gewaltigen Vorhaben zur Modernisierung unserer Infrastruktur umzusetzen", sagte der Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller. Laut Sondierungspapier von SPD, Grünen und FDP sollen künftig pro Jahr 400.000 Neubauwohnungen für mehr bezahlbaren Wohnraum entstehen - darunter auch 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen. Was der geplante Neubau in der Praxis heiße, rechnet der IG-Bau-Chef Feiger vor: "Das bedeutet von Montag bis Sonntag pro Tag knapp 1.100 neu gebaute, bezugsfertige Wohnungen - 46 pro Stunde, alle vier Minuten drei Wohnungen. Das ist eine Rund-um-die-Uhr-Aufgabe." Dies erfordere "volle Kraft, volles politisches Engagement und volles Gewicht am Kabinettstisch". Feiger forderte ein "Ende des Nomadenlebens beim Bauressort". Die Reihe der "Nebenbei-Bauminister" - von Franz Müntefering (SPD) bis zu Horst Seehofer (CSU) - müsse ein Ende haben. Der Wohnungsbau sollte laut Gewerkschaftschef eine zentrale Aufgabe des neu geschaffenen Bundesministeriums sein. "Wir stehen beim Bauen und Wohnen vor immensen Herausforderungen, was eine Bündelung der Kompetenzen notwendig macht. Die Politik muss in den kommenden Jahren Antworten darauf geben, wie Wohnen - insbesondere für Menschen mit niedrigem Einkommen - bezahlbar bleibt", so Feiger. Gefragt seien auch Sozialwohnungen. "Während im Jahr 1987 auf 100 Mieterhaushalte 25 Sozialwohnungen kamen, ist diese Zahl Ende 2020 auf fünf zurückgegangen." Mit ihrem Ziel hätten SPD, Grüne und FDP die "richtige Marke" gesetzt. Gleichzeitig dürften jedoch auch die Mieter durch erhöhte Kosten für Klimamaßnahmen jetzt nicht überfordert werden. Der Chef der Bauindustrie ist ebenfalls überzeugt: "Eine der wesentlichen Stellschrauben für das Gelingen der Mobilitäts- und Energiewende wird eine ambitionierte Baupolitik sein, zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und für den Klimaschutz." Müller forderte dabei auch "Mut zur Digitalisierung, denn so können wir das ingenieurtechnische Know-how der Baufirmen in die Planung einbinden und mutig mit Innovationen vorangehen, anstatt wie bisher den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen". Bauen dürfe kein Annex mehr eines Ressorts sein, sondern müsse ins Zentrum des Handelns gerückt werden.
Die Co-Vorsitzende des SPD-Forums Demokratische Linke 21, Ülker Radziwill, stimmte zu. "Bezahlbarer Wohnraum ist eine soziale Frage, die beantwortet werden muss", sagte die Berliner Landespolitikerin dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe). "Darum muss sich die neue Bundesregierung kümmern - am besten in einem eignen Ministerium für Bauen und Wohnen." Mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen mit Grünen und FDP mahnte Radziwill einen verbesserten Mieterschutz an.
"Im Sondierungspapier fehlten wichtige Stellschrauben, um Mieterinnen und Mieter auf angespannten Wohnungsmärken noch besser zu schützen", sagte sie. Es reiche nicht aus, die geltenden Mieterschutzregelungen zu verlängern. "Wir müssen einige Regeln nachschärfen", so die SPD-Politikerin. Radziwill verlangte eine bundesgesetzliche Regelung mit einer "Länderöffnungsklausel", die es Bundesländern ermögliche, auf angespannten Wohnungsmärkten einen Mietendeckel beziehungsweise ein Mietenmoratorium einzuführen.
Foto: Fahrmischer (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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