Berlin - Die SPD will die mit der Union verabredete Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr für diese Wahlperiode endgültig auf Eis legen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schloss sich nun auf einer Fraktionssitzung am Dienstag den Bedenken von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans an, berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwochausgaben) unter Berufung auf Sitzungsteilnehmer.

Mützenich sagte demnach in der Fraktionssitzung am Dienstag, dass es die im Koalitionsvertrag geforderte "ausführliche und breite Debatte" über das umstrittene Rüstungsprojekt bis heute nicht gegeben habe. Damit nehmen die Sozialdemokraten einen harten Konflikt mit dem Koalitionspartner und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) im Bundestagswahlkampf in Kauf. Das Verteidigungsministerium selbst habe die Debatte immer wieder verzögert, dann sei die Coronakrise gekommen. Daraufhin habe noch in der Fraktionssitzung nach einer inhaltlich kontroversen Debatte der verteidigungspolitische Sprecher, der Berliner Bundestagsabgeordnete Fritz Felgentreu, seinen Rücktritt von dem Posten bekannt gegeben, berichten die Funke-Zeitungen.

In der SPD ist das Thema Drohnen sehr umstritten. Mützenich sagte nach Angaben von Teilnehmern, es stehe außer Zweifel, "dass bewaffnete und unbewaffnete Drohnen den im Einsatz befindlichen Soldaten einen weiteren Schutz geben können". Aus der Praxis wisse man aber auch, dass bewaffnete Drohnen schnell die Hemmschwelle militärischer Gewalt senken könnten. Mützenich wies demnach vor den SPD-Abgeordneten daraufhin, dass der massive Einsatz von Drohnen auf Seiten Aserbaidschans den Konflikt im Südkaukasus mit Armenien maßgeblich entschieden habe.

Viele Länder zögen daraus den Schluss, "diese Waffen brauchen wir auch". Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer habe erklärt, dort sei "der erste echte Drohnenkrieg der Geschichte ausgetragen worden, mit schwerwiegenden Konsequenzen für die unterlegene Seite". Mützenich drängte darauf, daraus die richtigen Konsequenzen für die deutsche Debatte zu ziehen, die bislang eher vom Drohnen-Einsatz in asymmetrischen Kriegen geprägt gewesen sei. Die Prämisse der SPD, bewaffnete Drohnen sollten vornehmlich der Verteidigung dienen, werde offensichtlich nicht mehr von allen geteilt.

Weil im Gegenteil bewaffneten Drohnen mittlerweile offensive Eigenschaften zugebilligt würden, "müssen wir die Debatte unter dem aktuellen Eindruck mit einem veränderten Blickwinkel führen", argumentierte Mützenich. Den Vorwurf aus der Union, die SPD blockiere eine Beschaffung und gefährde damit Leib und Leben von Bundeswehrsoldaten, wies Mützenich zurück. Selbst bei einem Beschluss des Bundestages in den nächsten Wochen würde die Bewaffnung von Drohnen erst nach der Bundestagswahl erfolgen. "Sich deshalb jetzt unter Zeitdruck zu setzen, halte ich für politisch unklug", wurde Mützenich zitiert.

Er halte es für politisch und ethisch geboten, wenn erst der neue Bundestag abstimme. Kramp-Karrenbauer unterstellte Mützenich, sie wolle mit der öffentlichen Fokussierung auf die Drohnenfrage vom "Desaster" nicht einsatzfähiger anderer Waffensysteme der Bundeswehr ablenken.

Foto: Drohne "Reaper" (über dts Nachrichtenagentur)

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