Die Staatenvereinigung BRICS, die derzeit aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika besteht, plant nach Aussagen des Vorsitzenden des BRICS-Forums Purnima Anand eine erhebliche Ausweitung. Einige Beitrittsoptionen erscheinen aber äußerst unrealistisch – ein Überblick.

Die BRICS-Staaten erwarten, dass die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien der Union schon "sehr bald" beitreten könnten. In einem Interview mit der russischen Zeitung Izvestia erklärte der Vorsitzende des BRICS-Forums Purnima Anand, dass die BRICS-Staaten dieses Thema während des letzten Gipfels ausgiebig diskutierten und eine Bewerbung der drei Länder schon in naher Zukunft erwarten.

„All diese Länder haben Interesse an einem Beitritt gezeigt und bereiten sich darauf vor, die Mitgliedschaft zu beantragen“, sagte Anand.

Die Mitgliedschaft dieser Länder werde „den Einfluss von BRICS in der Welt deutlich erhöhen“. Alle aktuellen BRICS-Mitglieder würden die Erweiterung unterstützen, sodass der Beitrittsprozess zügig ablaufen sollte, so der BRICS-Vertreter.

Li Kexin, Generaldirektor der Abteilung für internationale Wirtschaftsangelegenheiten des chinesischen Außenministeriums, erklärte zuvor, dass die Liste der Beitrittskandidaten sogar noch länger wäre. Unter anderem würden auch Indonesien und Argentinien „an die Türen der Organisation klopfen“. Der Beitritt all dieser Staaten müsse dabei nicht gleichzeitig erfolgen, sondern könne auch einzeln durchgeführt werden.

Folgen der Erweiterung

Die Ziele der anvisierten BRICS-Erweiterung werden offen kommuniziert – die Erschaffung eines alternativen politischen und wirtschaftlichen Machtzentrums in Gegengewicht zum „kollektiven Westen“.

Bereits jetzt umfasst die BRICS etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung und 26 Prozent der Weltwirtschaftsleistung sowie repräsentiert vier Kontinente – Europa (Russland), Asien (China und Indien), Südamerika (Brasilien) und Afrika (Südafrika). Mit dem Beitritt weiterer Länder würden das Gewicht und die weltweite Repräsentanz der BRICS zweifelsohne weiter steigen. Mit Saudi-Arabien hätte die Vereinigung den größten Erdölexporteur der Welt an Bord und könnte einen erheblichen Einfluss auf die globalen Energiemärkte ausüben, falls eine entsprechende politische Doktrin ausgerufen wird. Mit Indien und China (die größten Energieimporteure) könnte die BRICS einerseits die globale Nachfrage dominieren, mit Russland (weltgrößter Gasexporteur) und Saudi-Arabien (weltgrößter Erdölexporteur) das globale Angebot.

Womöglich hing die Reise von US-Präsident Joe Biden nach Saudi-Arabien am 16. Juli auch damit zusammen. Der Saudi-Arabien-Besuch war auch im Westen extrem umstritten, denn eigentlich hatte Biden in seinem Wahlkampf einst versprochen, Riad zu einem „Pariah“ zu machen. Die weltpolitischen Geschehnisse – der Ukrainekrieg, die Energiekrise, die Konkurrenz zu China und Russland und jetzt womöglich auch eine Erweiterung der BRICS – zwangen den US-Präsidenten aber dazu, sein Wahlversprechen zu brechen und zum saudischen Kronprinzen zu eilen.

Inwiefern es hinter verschlossenen Türen Erfolge für den US-Präsidenten gegeben hat, ist unbekannt. Auf medialer Ebene bekam die Saudi-Arabien-Reise jedenfalls verheerende „Rezensionen“. Biden habe den Saudis das Zeichen gegeben, das sie wünschten, käme aber trotzdem mit fast nichts in der Hand zurück, schrieb beispielsweise die CNN. „Bidens Saudi-Arabien-Besuch war schlimmer als nur eine Peinlichkeit“, titelte das Wall Street Journal.

Probleme der Erweiterung

Die Erweiterungspläne der BRICS werden sicherlich auf beiden Seiten des Atlantiks genauestens beobachtet. Zugleich äußerten sich auch BRICS-Befürworter mit einer ordentlichen Portion Skepsis zu dem Vorhaben. Bereits seit Jahren werden Gespräche über eine Erweiterung geführt – weitgehend ohne Erfolg. Zwar scheinen die aktuellen Pläne und Aussagen konkreter denn je zu sein, dennoch bleiben praktische Schritte bislang aus.

Eines der Probleme – die große Konkurrenz zwischen China und Indien – lässt die BRICS seit jeher nicht zu einem monolithischen machtpolitischen Block aufsteigen, sondern belässt ihn eher bei einem unverbindlichen Diskussionsforum. Ob dies ohne weiteres geändert werden kann, ist fraglich. Der Ukrainekrieg hat zu einer erheblichen Konsolidierung des Westens geführt – aber nicht unbedingt zu einem gleichstarken Zusammenrücken der BRICS.

Insbesondere der Beitritt der Türkei wäre auch aus (militär-)politischer Sicht extrem unvorhersehbar. Eigentlich positioniert sich die BRICS in ihren Statements oftmals als ein aufsteigendes Gegengewicht zum Westen – insbesondere zu der NATO. Ähnliches, nur mit umgekehrten Vorzeichen, sieht man auf der westlichen Seite, wo die NATO sich als ein Verteidigungsbündnis gegenüber Russland und zunehmend China legitimiert. Mit einem potentiellen Beitritt der Türkei wäre aber ein NATO-Staat innerhalb der BRICS und damit auch auf Seite von Russland und China. Beide Allianzen müssten sich legitimitätstechnisch neu erfinden. Die militärische und politische Kompatibilität zwischen der BRICS und der NATO, die sich in der Türkei im Prinzip überlagern würden, lässt sich derzeit kaum vorhersagen.

Aus praktischer Sicht lässt sich die Ausweitung der BRICS derzeit also höchstens auf Argentinien und Ägypten vorstellen, die der Allianz allerdings fast schon mehr Probleme als Vorteile bereiten würden. Die Beitritte von Saudi-Arabien und der Türkei wären extrem vorteilhaft, erscheinen derzeit aber äußerst unplausibel – insbesondere wegen der unkalkulierbaren politischen Folgen, die sowohl global als auch in den Ländern selbst entstehen würden.

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