Berlin - Die Bundesbank hat ihre Prognose für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft nach unten korrigiert. "Der Aufschwung verschiebt sich zeitlich etwas nach hinten", sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann am Freitag.
Aufgrund der Wachstumsdelle steigt das Bruttoinlandsprodukt den Schätzungen zufolge in diesem Jahr um 2,5 Prozent und damit weniger stark als im Juni erwartet. In den kommenden beiden Jahren verstärke sich das Wirtschaftswachstum kalenderbereinigt auf 4,2 beziehungsweise 3,2 Prozent. Während laut der Bundesbank-Projektionen pandemiebedingte Einschränkungen sowie Lieferengpässe bei Vorprodukten das Wachstum im Winterhalbjahr bremsen, soll ab dem kommenden Frühjahr der private Konsum erheblich zulegen. Dabei spielen allerhand optimistische Annahmen eine entscheidende Rolle: so wird unterstellt, dass pandemiebedingte Einschränkungen dann weitgehend entfallen.
Die während der Pandemie gebildeten Ersparnisse der privaten Haushalte dürften zum Teil zusätzlich ausgegeben werden. Zudem wird angenommen, dass sich die Lieferengpässe bis Ende 2022 auflösen. Die Fachleute der Bundesbank gehen daher davon aus, dass vor allem die Exporte vorübergehend einen starken Schub erhalten. "Der kräftige Aufschwung hat zur Folge, dass die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten schon ab der zweiten Hälfte des kommenden Jahres wieder überdurchschnittlich ausgelastet sein werden", sagte der Bundesbankpräsident.
Die Bundesbank-Projektionen für die Inflationsrate liegen durchgehend deutlich höher als noch im Juni erwartet. Für dieses Jahr wird mit einer Inflationsrate von 3,2 Prozent gerechnet (gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex). Der Anstieg gehe nicht nur auf seit Längerem bekannte Sondereffekte wie die ausgelaufene Senkung der Umsatzsteuersätze oder die Einführung von CO2-Emissionszertifikaten zurück. Das allgemeine Preisniveau sei auch deshalb so kräftig gestiegen, weil die Rohstoffpreise für Energie auf den internationalen Märkten überraschend stark angezogen hätten.
Außerdem würden Unternehmen höhere Kosten aufgrund der Liefer- und Transportengpässe auf die Verbraucher überwälzen und zusätzlich bei starker Nachfrage die Gewinnmargen ausweiten. Im Durchschnitt des kommenden Jahres dürfte die Inflationsrate aufgrund dieser Einflüsse noch weiter auf 3,6 Prozent steigen, obwohl dann Sondereffekte, vor allem der mit der Umsatzsteuer verbundene, entfallen. Im Juni war für 2022 noch mit einer auf 1,8 Prozent sinkenden Inflation gerechnet worden. Erst wenn die genannten Einflüsse im Jahr 2023 nachlassen, sinkt die Inflationsrate nach Einschätzung der Bundesbank-Fachleute wieder.
Mit 2,2 Prozent bleibe sie aber auch in den Jahren 2023 und 2024 vergleichsweise hoch. Die Gründe dafür seien deutlich steigende Löhne, die gute Konjunkturlage, aber auch die Kosten, die der Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft verursache. "Für die Inflationsrate überwiegen wie im Euroraum insgesamt die Aufwärtsrisiken", sagte der Bundesbankpräsident. "Die Geldpolitik sollte diese Risiken nicht ignorieren und wachsam bleiben."
Die Projektion konnte nach Angaben der Bundesbank die finanzpolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung noch nicht berücksichtigen. In dem Basisszenario einer unveränderten Finanzpolitik sinkt sowohl die staatliche Defizit- als auch die Schuldenquote zügig. Dies liegt daran, dass sich die Wirtschaft kräftig erholt und Krisenhilfen auslaufen. Damit könnte der Staatshaushalt ab dem Jahr 2023 etwa ausgeglichen sein und die Schuldenquote wieder nahe 60 Prozent liegen.
Mit den neuen finanzpolitischen Vorhaben dürfte die Fiskalpolitik aber wohl expansiver ausfallen als bisher veranschlagt.
Foto: Deutsche Bundesbank (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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