Im Schatten des Ukrainekrieges verschärfen sich die geopolitischen Spannungen in Fernost. Ein Besuch von US-Abgeordneten auf Taiwan provozierte eine harsche Reaktion in China. Auf der anderen Seite sorgen chinesische Pläne für die Salomon-Inseln für Unruhe bei den USA und ihren Verbündeten.

Während die Welt auf die Ukraine blickt, haben die Spannungen in Fernost zwischen den USA und China stark zugenommen. Immer deutlicher wird es, dass der Fokus im geopolitischen Ringen zwischen den beiden Großmächten längst nicht mehr nur auf Taiwan liegt, sondern auch weiter südwärts gerückt ist.

Taiwan

Die Taiwan-Frage ist schon lange eines der größten Spannungsfelder in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen. Aus der Sicht Pekings handelt es sich um abtrünniges chinesisches Territorium, das früher oder später zurück unter die Kontrolle Pekings fallen wird. Dies sei nur eine Frage der Zeit, so die unmissverständlichen Signale der chinesischen Führung.

Die USA betonen dagegen, dass sie als wichtigster Verbündeter die de facto Unabhängigkeit der Insel auch in Zukunft kompromisslos unterstützen werden. Washington unterhält zu der Insel dabei recht ambivalente Beziehungen. Einerseits wird „eine Hoheitsgewalt Chinas über Taiwan nicht anerkannt“, andererseits erkennt Washington Taiwan aber auch nicht als einen unabhängigen Staat an. Stattdessen werden mit der Insel „inoffizielle, nicht-diplomatische Beziehungen“ gepflegt. So versucht Washington einen ewigen Spagat aufrechtzuerhalten, um einerseits die Beziehungen zu China nicht zu sehr zu verprellen, und andererseits Taiwans de facto Unabhängigkeit zu sichern.

Seit dem Ausbruch des Ukrainekrieges sind jedoch sowohl die Rhetorik als auch die Aktivitäten auf beiden Seiten schärfer geworden. Die chinesische Führung zeigte offen ihre Solidarität mit Moskau und deutete an, dass eine ähnliche militärische Lösung auch im Falle Taiwans mittelfristig möglich wäre.

Washington konterte dies mit gleich drei Aktionen innerhalb kürzester Zeit, die aus chinesischer Sicht einem Affront gleichkommen:

-        Am 04. März besuchte der ehemalige Außenminister Mike Pompeo Taiwan und setzte sich offen für eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen der USA mit der Inselrepublik ein. Washington solle endlich den „notwendigen und längst überfälligen“ Schritt tun und Taiwan die Anerkennung als „freies und souveränes Land“ anbieten, so Pompeo.

-        Am 05. April sicherte Washington der Insel weitere militärische Hilfen im Wert von fast 100 Millionen Dollar zu. Im Fokus stehen die „technische Unterstützung und das dazugehörige Equipment“ für die modernen „Patriot“-Flugabwehrsysteme. Unter Biden ist es bereits das dritte militärische Hilfspaket der USA an Taiwan. Die Grundposition scheint dabei ähnlich wie im Ukrainekonflikt zu sein: Nein, die USA werden wegen der Ukraine oder Taiwan nicht in einen direkten Krieg gegen Russland oder China ziehen und Bodentruppen entsenden. Indirekt können aber riesige Waffenlieferungen gestartet und durch scharfe Sanktionen flankiert werden.

-        Am 14. April besuchten sechs amerikanische Abgeordnete unter der Führung des Vorsitzenden des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des US-Senats Bob Menendez die Insel und versicherten die „steinfeste“ Natur der US-Taiwan-Beziehungen sowie versprachen eine weitere Vertiefung der Partnerschaft. Die Delegation umfasste Abgeordnete sowohl der Demokratischen als auch der Republikanischen Partei und sollte somit auch den parteiübergreifenden Charakter der amerikanischen Taiwan-Politik signalisieren.

Peking reagierte empört und warf den USA eine Destabilisierung des regionalen Friedens vor. Als Reaktion auf die „amerikanischen Provokationen“ startete das chinesische Militär umfangreiche Manöver in der Region, darunter maritime Landungsoperationen. Die chinesische Armee werde alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um eine äußere Einmischung in innere chinesische Angelegenheiten und eine Abspaltung Taiwans durch äußere Beihilfe zu unterbinden, erklärte das chinesische Verteidigungsministerium.

Salomon-Inseln

Nur kurze Zeit später, Ende April, wurde zudem deutlich, dass Taiwan längst nicht mehr die einzige Konfliktposition zwischen China und dem Westen in der Region ist. Die Spannungen steigen im gesamten indopazifischen Raum, wo die aufstrebende Großmacht China ihre militärischen und logistischen Kapazitäten ausweitet, während die USA und ihre Verbündeten dies mit allen Mitteln zu verhindern versuchen.

Zum Ausdruck dessen wurden zuletzt die Spannungen rund um die Salomon-Inseln, die sich in relativer Nähe zu den US-Verbündeten Australien und Neuseeland befinden.

Peking unterzeichnete mit dem Inselstaat ein Rahmenabkommen, das auf eine heftige westliche Kritik stieß. Laut der chinesischen Darstellung ziele die Kooperationen mit den Salomonen nur darauf ab, „die soziale Stabilität und langfristige Ruhe auf den Inseln zu fördern“. Im Fokus des Abkommens stehe die innere Sicherheit der Salomonen und humanitäre Hilfe. Es sei nicht gegen andere Staaten gerichtet. Der Westen sieht es jedoch anders. Das „Rahmenabkommen“ sei nichts anderes als ein „Sicherheitsabkommen“, das mittelfristig zu einer dauerhaften chinesischen Militärpräsenz und womöglich einer Militärbasis führen könnte. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, erklärte, dass die weit gefasste Art der Vereinbarung „die Tür offen für eine Stationierung von militärischen Kräften der Volksrepublik“ lasse. Dementsprechend „bedeutende Bedenken“ habe man und würde „dementsprechend reagieren“, falls dahingehende Schritte unternommen würden, hieß es später aus dem Weißen Hauses.

Noch drastischer reagierte Australien. Die australische Regierung erklärte die Errichtung einer chinesischen Militärbasis auf den Salomonen zu ihrer „roten Linie“. Chinesische Marine auf den Salomonen werde als „Militärpräsenz in unserem Vorhof“ und als „Einschüchterungstaktik“ gewertet. Auch hier wurde zunächst nicht genauer erläutert, welche Schritte genau auf die Überschreitung dieser „roten Linie“ folgen würden. US-Vertreter sprachen aber davon, dass „militärische Schritte“ möglich seien, um eine permanente chinesische Militärpräsenz in der Region zu verhindern.

AUKUS-Bündnis

Der Ukrainekonflikt hat die Spannungsspirale im Indopazifik womöglich befeuert, entsprechende Vorbereitungen wurden von den USA und ihren Verbündeten allerdings schon seit Längerem getroffen.

Bereits im September 2021 hatten die USA, Großbritannien und Australien ein neues Militärbündnis geschaffen - die AUKUS. Die Allianz ist explizit gegen Peking gerichtet und soll die chinesischen Ambitionen im Indopazifik eindämmen.

Außer einer allgemeinen Vertiefung der militärischen Zusammenarbeit soll im Rahmen der AUKUS Australien mit Atom-U-Booten ausgerüstet werden. Demnach würden USA und Großbritannien „extrem vertrauliche“ Technologien an Australien weiterleiten, sodass das Land einige atomar betriebene U-Boote selbst bauen und andere bei Washington und London einkaufen kann. Obwohl die U-Boote "nur" atomar angetrieben sein und keine nuklearen Waffen an Bord haben sollen, führte dies zu einer heftigen Kritik aus China. Der neue Militärpakt trage zur Destabilisierung der Lage in der gesamten Region bei.

Peking formulierte fünf Gefahren, die durch die Gründung der AUKUS ausgehen würden:

-        Risiko einer Weiterverbreitung von Atomtechnologien;

-        Auslösen eines Wettrüstens in der Region;

-        Unterminieren der regionalen Stabilität und Wohlstands;

-        Torpedierung der Errichtung einer atomfreien Zone in Südostasien;

-        Wiederbeleben der „Kalte-Krieg-Mentalität“.

Bereits seit Jahren wird prognostiziert, dass der zukünftige geopolitische „West-Ost“-Machtkampf weniger zwischen Russland und dem Westen in Europa, sondern vielmehr zwischen China und dem Westen im Indopazifik stattfinden wird. Der Ukrainekrieg hat die Tendenz dieser Machtkampfverlagerung überschattet. Abgelöst oder entkräftet ist diese Tendenz aber nicht. Der eigentliche Machtkampf zwischen China und dem Westen steht in Fernost noch bevor.

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