Brüssel - Als Folge der Pandemie wird die Zahl der Flüchtlinge in Europa in diesem Jahr steigen. Laut Migrationsagentur International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) sorgt die Verfügbarkeit von Impfstoffen und allgemein die Versorgung von Patienten dafür, dass mehr Migranten nach Europa wollen.

"Die gute Gesundheitsversorgung in Europa ist ein Anziehungspunkt für illegale Immigranten. In der EU wird man gratis geimpft. Das ist sehr attraktiv für Flüchtlinge aus Afrika, Lateinamerika und Asien. Deshalb erwarten wir eine Zunahme der illegalen Immigration", sagte Michael Spindelegger, Chef der Migrationsagentur ICMPD, dem "Handelsblatt" (Dienstagausgabe).

Hinzu komme die globale Wirtschaftskrise. "In vielen Ländern sinken die wirtschaftlichen Hoffnungen. Deshalb wird sich der Auswanderungsdruck verstärken", prognostiziert der frühere österreichische Vizekanzler und Außenminister. Die CMPD-Experten beobachten, dass sich die illegale Einwanderung nach Europa neue Routen erschließt.

Als Beispiele nennt das ICMPD die Fluchtrouten vom Libanon ins EU-Land Zypern oder von Mauretanien auf die Kanarischen Inseln. Dort sei die Zahl der Flüchtlinge um 900 Prozent gestiegen. In der zentralen Mittelmeerroute über Tunesien legte die Zahl der Flüchtlinge im vergangenen Jahr um 155 Prozent zu. Der Tourismus ist in Tunesien wie auch in anderen nordafrikanischen Staaten wie Marokko und Ägypten sehr stark eingebrochen.

Deshalb kehren vor allem junge Leute Tunesien den Rücken. Selbst auf der Westbalkanroute nahm die Zahl der illegalen Einwanderer im vergangenen Jahr um 105 Prozent zu. Auch Lateinamerika ist ins Visier der Migrationsexperten gerückt: "Südamerika ist von den wirtschaftlichen Einbrüchen sehr viel stärker betroffen als die EU. Sobald die Flugverbindungen wieder vollständig hergestellt sind, wird die Migration von dort zunehmen", prognostiziert Spindelegger. Viele werden dort wegen der hohen Arbeitslosigkeit nicht bleiben können.

"Angesichts der wirtschaftlichen Situation werden die Einwanderer zwangsläufig auf andere EU-Länder ausweichen", sagt der Migrationsexperte. Der Migrationsorganisation ICMPD in Wien und Brüssel mit rund 350 Mitarbeitern gehören 18 europäische Staaten an, seit vergangenem Jahr auch Deutschland.

Foto: Flüchtlinge auf der Balkanroute (über dts Nachrichtenagentur)

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