Berlin - Digitalpolitiker mehrerer Bundestagsfraktionen befürchten, dass die Twitter-Übernahme durch Elon Musk den Kampf gegen Hass und im Netz zurückwerfen könnte. "Die Übernahme einer globalen Kommunikationsplattform durch einen einzelnen Milliardär ist aus verschiedenen Gründen hochgefährlich", sagte Anke Domscheit-Berg, digitalpolitische Sprecherin der Fraktion "Die Linke", dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Mittwochausgaben).
Das Beispiel Russland zeige, wie stark einseitige Kontrolle über Kommunikationskanäle Meinungen und Wahrnehmungen von Realität verändern könne, so Domscheit-Berg weiter. "Da Elon Musk aus seiner eigenen Nähe zu Verschwörungserzählungen und rechten Kreisen keinen Hehl gemacht hat, ist da wenig Gutes zu erwarten", fügte sie hinzu. Domscheit-Berg forderte ein von der öffentlichen Hand finanziertes soziales Netzwerk. "Dieser Vorgang zeigt deutlich, warum wir endlich soziale Netze auch als soziale Infrastruktur der digitalen Gesellschaft betrachten müssen, die zur Daseinsvorsorge gehören sollten und öffentlich finanziert, ohne jegliche kommerzielle Interessen, allen gleichermaßen zur Verfügung stehen sollten", sagte sie. "Es wird höchste Zeit, eine solche Alternative zu schaffen." Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Renate Künast sagte dem RND: "Meinungsfreiheit und der Schutz vor Beleidigungen und Verleumdungen sind nicht gegeneinander auszuspielen, beides muss von Online-Plattformen sichergestellt werden. Auch Twitter hat trotz seiner Bemühungen ein großes Problem mit Hass und Desinformation, dass sehe ich beinahe täglich selbst". Die Ankündigungen Musks zeigten, wie wichtig eine Regulierung solcher Plattformen durch den Digital Services Act auch für die gesamte EU sei, sagte die Grünen-Politikerin. "Wir können uns nicht naiv darauf verlassen, dass Milliardäre oder Shareholder unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie schützen." Der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, äußerte sich ebenfalls besorgt. "Elon Musk wirbt für seine Twitter Übernahme mit mehr Meinungsfreiheit. Dabei sorgt die Machtkonzentration bei einer Person genau dafür nicht", sagte er dem RND. "Es besteht die große Gefahr, dass Musk die Plattform für seine persönlichen politischen Zwecke und Ambitionen missbrauchen könnte."
Der digitalpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Manuel Höferlin, plädierte dafür, die nächsten Schritte Musks abzuwarten. "Meinungsfreiheit ist ein wichtiges und schützenswertes Gut - erst recht im Internet und auf Plattformen wie Twitter", sagte der Liberale. "Diese endet an den Grenzen des Gesetzes und es wird auch weiterhin eine wichtige Aufgabe sein, Hass und Hetze im Zaum zu halten und für eine angemessene Netiquette zu sorgen." Musk hatte sich in der Vergangenheit kritisch gegen Versuche von Twitter geäußert, Hass und Aufrufe zur Gewalt von der Plattform zu verbannen.
So hatte er etwa nach dem Kapitolsturm im Januar 2021 den Ausschluss des damaligen US-Präsidenten Donald Trump wegen des "Risikos weiterer Gewaltanstiftung" scharf kritisiert und Twitter vorgeworfen, als "Richter" über die Meinungsfreiheit zu agieren.
Foto: Twitter-Nutzer an einem Computer (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
Dann unterstütze dts Nachrichtenagentur jetzt direkt: