Berlin - Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Berliner Charité, hält einen erneuten Lockdown für unausweichlich. "Wir werden um einen ernsthaften Lockdown nicht herumkommen", sagte er dem "Spiegel".

Und weiter: "Dass gegen diese aggressivere Variante ein Teillockdown mit abgestuftem Maßnahmenkatalog nicht durchgreift, haben wir in Paris und London gesehen", so der Wissenschaftler. "Die Inzidenz ist dort immer weiter gestiegen wie auch die Zahl der schweren und oft auch tödlichen Krankheitsverläufe." Noch bestehe die Chance, eine solche Entwicklung in deutschen Großstädten abzuwenden. "Dazu ist jetzt aber politisches Handeln und auch die Unterstützung möglichst vieler Menschen notwendig", sagte Drosten.

Auch der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis, fordert einen sofortigen Lockdown. Karagiannidis steht in Kontakt mit Kollegen in Paris: Dort gebe es inzwischen so viele Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen, dass man Personal einsetzen müsse, das gar nicht dafür ausgebildet sei. Der normale OP-Betrieb sei weitgehend eingestellt. "Und die Ärzte bereiten sich ernsthaft auf eine Triage vor", sagte Karagiannidis im "Spiegel".

Laufe alles einfach so weiter wie bisher, "wird jeder in seinem ganz direkten Umfeld Menschen kennen, die im Krankenhaus waren, gestorben sind, unter Langzeitschäden leiden", warnte die Virologin Melanie Brinkmann von der TU-Braunschweig. Sie sei wütend, dass nicht früher reagiert wurde auf die Warnungen der Wissenschaft. "Wir könnten jetzt schon bei Zehner-Inzidenzen sein, wenn die Politiker bei der Bund-Länder-Konferenz im Januar ernst genommen hätten, was wir ihnen gesagt haben." Dass die Ministerpräsidenten im Gegenteil sogar Lockerungen zugelassen haben, macht die Forscherin fassungslos.

"Innerhalb von vier Wochen kriegen wir die Zahlen massiv runter, wenn die Menschen kaum Kontakte haben", sagte Brinkmann dem "Spiegel". Je stärker alle auf die Bremse träten, "desto kürzer währt der Lockdown".

Foto: Christian Drosten (über dts Nachrichtenagentur)

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