"Es gibt keine Möglichkeit umzukehren. Immer nur drauflos. Egal wie schwer, es wird mir gelingen." Mit solchen Gedanken bin ich nach Wien gezogen. Die langjährigen Freunde und meine Familie, zu der ich eine starke Verbundenheit habe, habe ich zurückgelassen. An mein sorgenfreies Leben blieben nur warme Erinnerungen.
Das erste Gefühl: Österreich ist voll von netten Leuten, die immer hilfsbereit sind. „Sicherheit“ und „Ruhe“ waren die Wörter, die ich mit Österreich in Verbindung gebracht habe. Mit der Zeit stellte ich fest, dass sich die Regierung viel Mühe gibt, um ihre Gesellschaft zu versorgen: zahlreiche finanzielle Fonds, die besonders in Zeiten einer Pandemie sehr hilfreich sind. Außerdem ist das Gesundheitssystem eines der besten der Welt. All das sieht wie ein ideales Leben für jeden Einwohner und jede Einwohnerin Österreichs aus. Ist das aber für alle Menschen in Österreich so? Sicher nicht.
Wenn man das Elternnest verlässt, wird ein Jugendlicher zum Erwachsenen. Ich bin der Meinung, dass jeder Ausländer den großen Mut haben sollte, von „Null“ anzufangen. Nichtsdestotrotz ahnen Leute, die einen problemlosen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht, an welche Herausforderungen Drittstaatsbürger stoßen. Rund 70% aller Studierenden haben einen Nebenjob, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Lebensplan sieht vielversprechend aus: Arbeiten, um das Studium bezahlen zu können und nach Möglichkeit die Eltern in der Heimat finanziell zu unterstützen. So ist es aber nicht in meinem Fall.
Monatelanges Warten auf die Bewilligung des AMS und man muss erst einmal einen Arbeitgeber finden, was in Corona-Zeiten noch schwieriger ist, als sonst. Was muss man als Student machen, dessen Eltern in einer katastrophalen finanziellen Lage sind? Man hofft auf die loyale und verständnisvolle (wie es überall in den Zeitungen steht) Regierung. In ihren Wahlprogrammen warben Politiker für Diversität und für Integrationspolitik in Bezug auf Ausländer. Ist das wirklich so?
Wenn man das wahre Gesicht einer anderen Person sehen will, sollte man diese Person unter extremen Bedingungen beobachten. Genauso kann man die österreichische Regierung aktuell beobachten. In der diesjährigen Corona-Lage ist die hilfsbereite Regierung nämlich nicht für alle so entgegenkommend. Vor allem leiden darunter die ausländischen Studenten. Die Corona-Maßnahmen sind einerseits sinnvoll, andererseits sollten sie besser umgesetzt werden - zum Beispiel der Corona-Fond, um dessen einmalige Hilfe (ungefähr 350 Euro) man bis zu 6 Monaten kämpfen musste. Die Rechnungen müssen in dieser Zeit trotzdem bezahlt werden. Wie soll man als "braver" Student handeln, der bereit ist, die fälligen Beiträge zu bezahlen und seinen Beitrag zum Wohle Österreichs zu leisten? Ehrlich gesagt sehe ich „Schwarzarbeit“ als einzige Lösung, um mich nicht zu verschulden. Ich habe fast das Gefühl, als ob die Regierung die Arbeitslosen quasi dazu drängt, um mit Hilfe der Strafen das Staatsbudget aufzubessern.
Seit ein paar Tagen hoffen die Studenten nun auf den neuen Corona-Fond. Anträge für die Neuauflage des Corona-Härtefonds sind ab dem 1.1.2021 möglich. Hier wird man wiederum viele offene Fragen haben: Wer bekommt die Hilfen zuerst? Gibt es versteckte Quoten nach Herkunft?
Falls ja, dann sollte die österreichische Regierung bedenken: Die Ausländer werden in Zukunft immer wichtiger für die österreichische Wirtschaft. Das könnte sich langfristig negativ auf das Land auswirken, besonders in Bereichen, in denen die Beschäftigung der ausländischen Arbeiter besonders hoch ist. Nur durch den Zusammenhalt der verschiedenen Gemeinschaften und einer Festigung der Gesellschaft kann Österreich die Pandemie sowie die Integrationsschwierigkeiten mit minimal negativen Konsequenzen überstehen.
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