Brüssel - EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni warnt vor übereilten Reformen des EU-Energiemarktes. "Die französische Regierung hat vorgeschlagen, die EU-Energiemärkte zu reformieren. Das diskutieren wir, aber mit Eingriffen in die EU-Energiemärkte sollten wir sehr vorsichtig sein", sagte der italienische Politiker der "Welt" (Montagsausgabe).
Übereilte Reformen in den Energiemärkten seien gefährlich. "Wir laufen sonst Gefahr, mit Änderungen in einen Markt einzugreifen, der normalerweise hervorragend funktioniert." Wegen der Preisanstiege sei der politische Druck gerade sehr hoch, aber das sollte nicht zu überstürzten Reaktionen führen, auch weil die Preisentwicklung vermutlich nur vorübergehend sei.
"Wir können Vorschläge diskutieren, aber müssen überhastete und riskante Weichenstellungen vermeiden." Frankreich dringt darauf, die EU-Energiemärkte zu reformieren und insbesondere die Preisfindung beim Strom von den stark gestiegenen Gaspreisen zu entkoppeln. Gentiloni ist auch skeptisch hinsichtlich eines gemeinsamen EU-Einkaufs von Erdgas, wie ihn Spanien vorgeschlagen hat. "Und dann gibt es natürlich noch die geopolitische Dimension und es gibt den Vorschlag, dass die EU-Länder gemeinsam Erdgas einkaufen. Das ist aber nicht so einfach", sagt der Politiker der Zeitung.
"Wir haben gute Erfahrungen mit dem gemeinsamen EU-Einkauf der Covid-Impfungen gemacht, aber Gaslieferungen sind keine Covid-Impfungen. Und Putin ist nicht Pfizer. Wir müssen mit Ländern in Nordafrika, Norwegen und vor allem mit Russland verhandeln. Wir brauchen eine gemeinsame europäische Haltung gegenüber anderen Ländern, aber das in eine gemeinsame Beschaffung zu überführen, liegt nicht auf der Hand."
Der EU-Kommissar kündigte aber an, dass die Kommission bald ihre Untersuchung zu Spekulation im europäischen Emissionshandel ETS vorlegen werde. "Im Emissionshandel beobachten wir sehr viel Spekulation und Absicherungsgeschäfte. Die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat haben die Kommission deshalb gebeten, die Situation auf den Finanzmärkten und ganz besonders im Emissionshandel ETS streng zu prüfen. Wir arbeiten daran und werden dem Rat unsere Ergebnisse bald mitteilen."
Es sei aber falsch, wegen der hohen Energiepreise den europäischen "Green Deal" infrage zu stellen, wie es einige osteuropäische Mitgliedsländer tun. "Die Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise sollten auf keinen Fall die Energiewende konterkarieren", sagte Gentiloni der "Welt". Der Weg zur Klimaneutralität sei nicht leicht und die 2020er-Jahre würden hart.
"Die Energiewende wird in diesem Jahrzehnt besonders hart und schwierig. Aber der einzige Weg nach vorne ist, uns diesen Schwierigkeiten zu stellen und erneuerbare Energien auszubauen. Der Europäische `Green Deal` ist nicht das Problem, aber er kann Teil der Lösung sein."
Foto: Hochspannungsleitung (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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