Berlin - Der bis Dezember amtierende Präsident der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) Uwe Janssens warnt vor einem Bedeutungsverlust des Inzidenzwertes. Diese sei "ein sehr wertvoller Faktor", sagte Janssens der "Welt" (Mittwochausgabe).

"Die Hospitalisierungsrate hinkt der Inzidenz zehn bis 14 Tage hinterher. Wenn sich ein Mensch infiziert, dann geht es ihm meist erst zehn bis 14 Tage später so schlecht, dass er intensivmedizinisch behandelt werden muss", so der Intensivmediziner, der auch Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) ist. An Großbritannien sehe man zwar, dass trotz hoher Infektionen deutlich weniger Menschen auf die Intensivstation kommen, so Janssens, aber das sei nicht auf Deutschland übertragbar. "Dort gibt es eine ganz andere Altersstruktur. Bei uns ist das durchschnittliche Alter 45,7 Jahre, bei denen 40,5." Die Deutschen seien das fünftälteste Volk der Welt. "Zumal wir keine so gute Durchimpfung bei den Älteren haben, wie immer behauptet wird", so Janssens weiter. Bei den über 60-Jährigen seien in Deutschland 78 Prozent geimpft, in England seien es 91,5 Prozent, in Schottland sogar 97,6 Prozent. "Es wäre also gefährlich zu glauben, dass sich der britische Erfolg auf Deutschland überträgt", resümiert der Intensivmediziner. In Großbritannien hatte zumindest England am 19. Juli fast alle Maßnahmen aufgehoben, kurz danach begannen die Infektionszahlen deutlich zu sinken. Die pessimistischen Experten erwarten, dass dieser Effekt nicht dauerhaft sein wird - bislang geht es aber mit den Zahlen immer weiter runter - und auch die Krankenhäuser melden nun mit etwas Verspätung eine Trendwende hin zu sinkenden Zahlen.

Foto: London Underground (über dts Nachrichtenagentur)

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