Frankfurt/Main - Die Europäische Zentralbank (EZB) sendet weitere Signale für eine mögliche Änderung ihrer Geldpolitik aus. In einer Zeit mit viel Unsicherheit sollte man zwar keine absoluten Aussagen treffen, sagte EZB-Chefvolkswirt Philip Lane der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagsausgabe).
"Die Daten sprechen aber durchaus dafür, dass wir näher an unser mittelfristiges Inflationsziel rücken könnten." Dann müsse die EZB handeln: "Wenn die Raten sich mittelfristig auf unser Ziel zubewegen, wofür gerade mehr spricht, werden wir die Geldpolitik anpassen." Die EZB benötige dann zum Beispiel keine Anleihekäufe mehr, um die Inflation auf mittlere Sicht bei ihrem Zielwert zu stabilisieren. Bevor die Notenbank über eine mögliche Zinsentscheidung spreche, müssen sie jedenfalls die Nettoankäufe von Vermögenswerten beenden.
Lane hob unter anderem die kräftige Konjunkturerholung im Euroraum in diesem Jahr hervor: "Die Wirtschaftslage ist insgesamt so, dass eine starke Erholung der europäischen Wirtschaft erwartet wird." Die Inflationsraten seien höher als erwartet, "und diese werden auch länger anhalten als ursprünglich gedacht", sagte der EZB-Chefvolkswirt. Das liege vor allem an den gestiegenen Energiepreisen und den Lieferengpässen. "Doch je länger der Ursprung des Schocks bestehen bleibt, desto stärker wird das Preisniveau insgesamt beeinflusst", sagte er: "Also revidieren wir unsere Einschätzung der Dauerhaftigkeit der Inflation in dieser Hinsicht."
Weiterhin erwarte die Notenbank aber, dass die Inflationsraten im Laufe des Jahres sinken werden: "Es ist allerdings unsicher, wie schnell und wie weit." Zu den Folgen der Eskalation der Ukraine-Krise für die weitere Geldpolitik sagte Lane: "Wir werden bei unserer Sitzung im März eine umfassende Beurteilung der wirtschaftlichen Aussichten vornehmen." Dazu gehörten auch die jüngsten geopolitischen Entwicklungen. Diese hätten nicht nur Auswirkungen auf die Öl- und Gaspreise, sondern auch auf das Vertrauen der Anleger und der Verbraucher sowie den Handel.
"Was die Inflation betrifft, gibt es daher nicht nur den mechanischen Effekt durch die Rohstoffpreise", sagte Lane. "Im Hinblick auf die mittelfristigen Inflationsaussichten müssen auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen berücksichtigt werden." Die geopolitischen Spannungen seien aktuell "ein sehr bedeutsamer Risikofaktor, vor allem für Europa".
Foto: EZB (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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