Berlin - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist der Ansicht, dass die Politik im Herbst zu spät und zu geringe Schutzmaßnahmen ergriffen hat, um die zweite Welle der Coronavirus-Pandemie erfolgreicher einzudämmen. "Wir alle haben doch gehofft, dass die zweite Welle an uns vorbeigeht. Das ist menschlich. Hätte man früher auf die zweite Welle reagieren müssen? Wahrscheinlich ja", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" (Montagausgabe).

Die Erfahrung zeige: "Wenn wir früher eingreifen, ist ein Lockdown zwar hart, aber er ist kürzer." Stattdessen habe man nun einen Zustand von November bis in den März hinein, der den Bürgern "echt viel abverlangt".

Als Begründung für die späte Reaktion von Bund und Ländern auf die steigenden Infektionszahlen im Herbst nannte Spahn auch die Sorge vor einer mangelnden Akzeptanz in der Bevölkerung: "Wer hätte akzeptiert, wenn wir im September, bei niedrigen Infektionszahlen, harte Einschnitte gefordert hätten? Und hätten wir eine solche Entscheidung politisch durchsetzen können? Das frage ich selbstkritisch. Die Antwort ist: Wahrscheinlich nicht." Mit Blick auf die schleppende Einführung des elektronischen Meldesystems Sormas sagte Spahn, es gebe "immer wieder Blockaden, weil einige für ihre Insellösungen kämpfen. Außerdem muss noch ein letztes Update oder eine Schnittstelle her".

Sollte sich die Situation in den kommunalen Behörden nicht ändern, stellte Spahn in Aussicht, selbst tätig zu werden: "Aber wenn manche Gesundheitsämter in ein paar Wochen nicht nachziehen, werde ich im Zweifel selbst die Landräte anrufen", sagte er der SZ. Nachdem die FDP die Bundesregierung immer wieder für ihre Krisenpolitik kritisiert hatte, sagte Jens Spahn über die Liberalen: "Der Spagat zwischen dem Handeln auf Länderebene - wo die FDP den Corona-Kurs in den Regierungen mit ihrer Beteiligung mitträgt - und den teils krawalligen Äußerungen im Bund, der gelingt der FDP in Teilen nicht." Bei den kommenden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz müsse die FDP "sich fragen, welchen Mehrheiten sie die Hand reichen will. Regieren in Ampeln bekommt ihr jedenfalls bisher nicht gut."

Foto: Jens Spahn (über dts Nachrichtenagentur)

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