Berlin - Der wohnungs- und baupolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Christian Kühn, fordert eine weitere Reform des Mietspiegels. Man brauche dringend Maßnahmen, um Mietern "in angespannten Wohnungsmärkten eine Atempause zu verschaffen und die Belastung durch hohe Mieten zu stoppen", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagausgaben).
Kühn schlug vor, den Betrachtungszeitraum der ortsüblichen Vergleichsmiete drastisch zu erweitern: "Wir brauchen den Einbezug der Mieten der letzten 20 Jahre, um die Zeiten fairer und normaler Mietniveaus vor Beginn der großen Mietpreisrally überhaupt noch realistisch abzubilden." Derzeit werden die vergangenen sechs Jahre berücksichtigt. Diese seien aber "vielerorts bereits von beispiellosen Mietpreissteigerungen geprägt", sagte der Bauexperte. Bei einer Ausweitung des Betrachtungszeitraums auf 20 Jahre würden sich laut einer Berechnung des Center for Real Estate Studies (CRES), einem Institut der Steinbei-Hochschule Berlin (SHB) und der Deutschen Immobilien-Akademie (DIA) der Universität Freiburg, die Mietspiegel deutlich absenken. Die Daten liegen den Funke-Zeitungen vor. Bundesweit betrug den Daten zufolge die durchschnittlichen Angebotsmieten im Jahr 2020 9,74 Euro netto kalt pro Quadratmeter. In einem Mietspiegel mit einem Betrachtungszeitraum auf 20 Jahre würde die Mieten im Mietspiegel nur noch 7,36 Euro betragen. Laut den CRES-Berechnungen würde mit einer wie von den Grünen geforderten Reform des Mietspiegels ein Wertverlust für Eigentümer einhergehen.
Das CRES beziffert diesen Wertverlust auf einen Betrachtungszeitraum von 15 Jahren auf rund 27.300 Euro, bei 20 Jahren auf rund 36.400 Euro. Auf 40-Jahre-Sicht würde sich den Daten zufolge ein Wertverlust von rund 72.800 Euro ergeben. Auf Zustimmung stößt die Forderung beim Deutschen Mieterbund (DMB). "Ein Betrachtungszeitraum von 20 Jahren würde aus Mietersicht wirklich etwas bewirken", sagte Mieterbundspräsident Lukas Siebenkotten den Funke-Zeitungen.
"Bei 20 Jahren würden sich die Mieten abkühlen." Vermieter- und Immobilienverbände reagieren dagegen alarmiert auf die Forderung. "Wer den Mietspiegel derart ausweiten will, schafft damit ein Mietenmanipulationsgesetz und missbraucht den Mietspiegel", sagte Jürgen Schick, Präsident des Immobilienverbandes Deutschland (IVD) den Funke-Zeitungen. "Es wird versucht, über ein Instrument, das den Markt abbilden soll, den Markt zu gestalten", kritisierte er.
Die Zeit der starken Mietanstiege sei vorbei, sagte der IVD-Chef. Hinzu käme, dass sich Märkte schnell ändern, noch vor 16 Jahren habe es beispielsweise in Berlin einen hohen Leerstand gegeben. "Damals gab es auch kein Hilfsprogramm für Vermieter", sagte Schick. Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Immobilienwirtschaft GdW, hält ein solches Konstrukt für verfassungswidrig.
"De facto wäre es eine Art Super-Mietendeckel, da ja der Gesetzgeber gerade vor Kurzem beschlossen hat, dass in allen Städten ab 50.000 Einwohnern Mietenspiegel erstellt werden müssen. Damit würde dieser massive Einschnitt in all diesen Städten in ganz Deutschland wirken", sagte er den Funke-Zeitungen. Der Präsident des Eigentümerverbandes "Haus & Grund", Kai Warnecke, bezeichnete die geforderte Ausweitung als einen "Angriff auf die Mietspiegel". Könnten private Vermieter ihre Mieten nicht mehr anpassen, müssten sie ihre Wohnungen verkaufen und mehr Finanzinvestoren würden auf den Mietmarkt vordrängen, sagte Warnecke den Funke-Zeitungen.
Foto: Mietwohnungen (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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