Für eine Medizin der Zukunft, gemeinnützig und unabhängig. 1981 gegründet, haben wir als gemeinnützige und unabhängige Stiftung in den letzten Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, immer mehr komplementärmedizinische Verfahren wissenschaftlich zu durchdringen und zu bewerten. Mit Hilfe der Bevölkerung konnten wir mehr als 40 Mio. Euro für Wissenschaft und Forschung in über 300 Projekten bereitstellen. Wir forschen für Ihre Gesundheit!
Als die Carstens-Stiftung am 21. Dezember 1981 gegründet wurde, stellte die Forschung im Bereich Komplementärmedizin absolutes Neuland dar. Zwar hatten die Pflanzenheilkunde, die Ernährungs- und Ordnungslehre oder auch die Chinesische Medizin ihren festen Platz in der Medizingeschichte. Nur: Wissenschaftlich erforscht waren sie noch nicht.[1]
Mit diesen Worten zelebriert die Carstens-Stiftung ihren runden Geburtstag. So ganz stimmt der Text allerdings nicht. Auch 1981 gab es schon Forschung auf dem Gebiet der Alternativmedizin -- sogar in Deutschland, und sogar von mir. In diesem Jahr hatte ich nämlich meine allererste Arbeit auf diesem Gebiet publiziert.[2]
Von den 40 Mio Euro Forschungsmittel habe ich aber nichts abbekommen. Das liegt vor allem daran, dass ich zu keinem Zeitpunkt Forschungsanträge bei der Carstens-Stiftung eingereicht habe. Und das wiederum mag seinen Grund darin haben, dass ich das mit der Unabhängigkeit der Stiftung nie so ganz glauben konnte. Von Anfang an, erschien sie mir alles andere als unabhängig, zumindest im intellektuellen Sinn. Ich sah sie eher als einen Förderverein für Homöopathie.
Das bedeutet jedoch nicht, dass es in den letzten 40 Jahren keine Berührungspunkte gegeben hätte. Im Gegenteil, dergleichen gab es viele. Man traf sich regelmäßig auf Tagungen, und nachdem ich nach Exeter berufen worden war, berichtete die Carstens-Stiftung sogar über meine Position:
In Großbritannien sorgte 1993 die Besetzung der ersten Stiftungsprofessur für Komplementärmedizin in Exeter mit Edzard Ernst für einen Paukenschlag. Ernst baute ein großes Institut auf, das sich der kritischen Bewertung der einschlägigen Literatur widmete -- nicht immer zur Freude der wissenschaftlichen komplementärmedizinischen Szene.[3]
„Nicht immer zur Freude"! Das ist treffend formuliert. Aber die Stiftung ließ sich ihre Freude an der Alternativmedizin durch meine kritischen Bewertungen nicht trüben. Auf ihrer Internet-Seite wurde oft über meine Forschung berichtet. So beispielsweise, als wir die Studienlage zu Tai Chi zusammengefasst hatten und zu folgender Schlussfolgerung gekommen waren: Die Evidenz ist überzeugend positiv nur in Bezug auf die Verhinderung von Stürzen und die Verbesserung der psychischen Gesundheit.[4] Die Carstens-Stiftung konvertierte unser eher trauriges Urteil dann zu einer viel freudigeren Botschaft:
Bei einigen Krankheitsbildern kann sich Qigong- oder Tai Chi also durchaus lohnen. Und als Kombination aus Bewegungs- und Atemübungen sind beide Verfahren generell eine gute Möglichkeit, sich flexibel und beweglich zu halten. Am besten ist es, Sie erlernen Qigong oder Tai Chi bei einem ausgebildeten Lehrer und bauen es in den eigenen Alltag ein. Denn nur das tägliche Üben bringt einen Effekt. Probieren Sie es doch einfach mal aus![5]
Das mit dem Ausprobieren ging bei der Carstens-Stiftung dann schließlich so weit, dass man versuchte, mich öffentlich zu denunzieren. Als die Stiftung im Jahr 2020 eine Rezension eines Buches von Natalie Grams publizierte, verband sie dies mit mehreren persönlichen Attacken und Verleumdungen auch gegen mich.[6]
Während mich die eher dilettantische Schönmalerei der Evidenz der Carstens-Stiftung stets amüsiert hatte, ging mir eine derartig offene Diffamierung meiner Person dann doch ein wenig zu weit. Daher forderte ich die Stiftung auf, ihre Lügen über mich zurück zu ziehen oder sich mit meinen Anwälten auseinanderzusetzen. Erfreulicherweise zogen sie die letztere Lösung vor.[7]
Wenn ich heute auf die 40 Jahre Carstens-Stiftung zurück blicke, so gewinne ich den Eindruck, dass sich in dieser Zeit in der Köpfen der Verantwortlichen eine Art Radikalisierung vollzogen hat, bzw. dass die Neubesetzungen von Führungspositionen immer mehr Quacksalber in die Stiftung eingeschleust haben. Anfangs wurde meine Forschung noch als „kritische Bewertung" toleriert und in gewisser Weise vielleicht sogar geschätzt. Heute wird sie als „Falschdarstellung" oder gar Fälschung hingestellt.
Ich finde diese Entwicklung mehr als nur bedauerlich. Denn wo eine kritische Bewertung der Evidenz verhindert wird, da kann eine ordentliche Wissenschaft nicht gedeihen. Und wenn die wissenschaftliche Methodik zur Bestätigung vorgefasster Meinungen missbraucht wird, sind wohlgemeinte Spenden der Bevölkerung in Höhe von 40 Mio Euro nichts anderes als rausgeschmissenes Geld.
Erfahrung für eine Medizin der Zukunft (carstens-stiftung.de) ↩︎
Ernst E. Therapie mit Knoblauch? Theorein übe ein volkstümliches Heilprinzip [Garlic therapy? Theories of a folk remedy (author's transl)]. MMW Munch Med Wochenschr. 1981 Oct 9;123(41):1537-8. German. PMID: 6795467. ↩︎
Zur Lage der Komplementärmedizin in Deutschland (carstens-stiftung.de) ↩︎
Lee MS, Ernst E. Systematic reviews of t'ai chi: an overview. Br J Sports Med. 2012 Aug;46(10):713-8. doi: 10.1136/bjsm.2010.080622. Epub 2011 May 16. PMID: 21586406. ↩︎
My open letter to ‘Natur und Medizin’ (‘Carstens Stiftung’) (edzardernst.com) ↩︎
My victory over Jens Behnke, ‘Natur und Medizin’ and the ‘Carstens Stiftung’ (edzardernst.com) ↩︎
Dir gefällt, was Edzard Ernst schreibt?
Dann unterstütze Edzard Ernst jetzt direkt: