München - Die Bundeswehr müsste nach Einschätzung des Münchener Ifo-Instituts dauerhaft 25 Milliarden Euro pro Haushaltsjahr mehr bekommen. Diese Summe sei notwendig, um die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz zu erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, teilte das Institut am Dienstag mit.

Für 2022 sind etwa 50,3 Milliarden Euro oder 1,3 Prozent der Wirtschaftsleistung im Kernhaushalt für Verteidigung eingeplant. Hinzu kommt das schuldenfinanzierte Sonderprogramm von 100 Milliarden Euro. "Diese 100 Milliarden sind zwar gut und richtig, reichen aber angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine und der Zeitenwende im Sicherheitsverständnis in Europa dauerhaft nicht aus", sagte Ifo-Forscher Florian Dorn. Die nominelle Steigerung des Wehretats um 7,2 Prozent im Jahre 2022 werde fast vollständig von der zu erwartenden Inflation aufgezehrt.

Selbst für das pessimistischste Konjunkturszenario sinke der Verteidigungshaushalt gemessen an der Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahr. Dorn fügte hinzu: "Die Zeiten der Friedensdividende, in der Einsparungen bei der Verteidigung finanzielle Spielräume für andere politischen Projekte ermöglichten, sind vorbei." Das einmalige Sondervermögen werde keinesfalls ausreichen, die entstandene Finanzierungslücke der vergangenen Jahre vollständig aufzufangen, alle Mängel kurzfristig zu beseitigen und die Bundeswehr nachhaltig neu aufzustellen. "Zudem müssten für den Einsatz der Mittel effizientere Strukturen geschaffen werden."

Denn es gehe nicht nur darum, mehr Geld einzusetzen, sondern auch darum, die Mittel besser zu verwenden. "Die relativ niedrigen Verteidigungsausgaben und der entsprechend geringe Umfang von Rüstungsaufträgen in Europa machen eine noch stärkere Kooperation zwischen den nationalen Rüstungsindustrien erforderlich, wenn wir weder technologisch den Anschluss noch sicherheitspolitisch die Autonomie verlieren wollen", sagte Ifo-Forscher Marcel Schlepper. Seit 1992 hat Europa und insbesondere Deutschland eine intensive Abrüstung erlebt. In Deutschland ist die Anzahl der Kampfpanzer bis 2020 um 88 Prozent und jene der Kampfflugzeuge und -hubschrauber um 78 Prozent reduziert worden.

Selbst wenn deutsches, französisches und britisches Militärgerät gebündelt wird, ist die Anzahl russischer bzw. chinesischer Kampfpanzer laut Ifo um den Faktor fünf bzw. acht höher. Bei den Kampfflugzeugen und -hubschraubern sind es doppelt bzw. drei Mal so viele. Der europäische Kontinent ist von US-Sicherheitsgarantien abhängig. Neben den Vereinigten Staaten entwickeln aber auch China und Russland komplexe technologische Innovationen wie Tarnkappenjets und Hyperschallraketen für ihre jeweils umfangreichen Streitkräfte.

Foto: Bundeswehr-Panzer "Fuchs" (über dts Nachrichtenagentur)

Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?

Dann unterstütze dts Nachrichtenagentur jetzt direkt: