Berlin - Im Streit über den Sinn von Kinderimpfungen gegen das Coronavirus wehrt sich die Ständige Impfkommission (STIKO) gegen die Kritik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Dieser hatte der Kommission kürzlich indirekt mangelnde Kompetenz vorgeworfen.

"Die aktuellen Aussagen von Herrn Söder und anderen Politikern zur STIKO und zu deren Arbeit sind auch unter Berücksichtigung der Wahlkampfzeit ungewöhnlich und müssen korrigiert werden", forderte die Kommission am Freitag in einer Stellungnahme, über die die FAZ berichtet. Söder, der auf möglichst rasche Kinderimpfungen dringt, hatte im Bayerischen Rundfunk betont, dass die STIKO eine Organisation ist, deren Mitglieder ehrenamtlich arbeiten. Bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hätten den Corona-Impfstoff für Kinder ab zwölf Jahren zugelassen, "das sind die Profis", sagte Söder. Dagegen verwahrt sich die Kommission nun.

"Die STIKO ist ein unabhängiges Expertengremium, dessen Tätigkeit von den Mitarbeitern im Fachgebiet Impfprävention des Robert-Koch-Instituts (RKI) maßgeblich unterstützt wird", heißt es in der Stellungnahme. "Sie arbeitet entsprechend ihres gesetzlichen Auftrages transparent nach streng wissenschaftlichen Kriterien und ist dabei keinesfalls weniger `professionell` als die EMA." Einzelne STIKO-Mitglieder wurden am Freitag noch deutlicher. "Mit diesen Äußerungen hat Markus Söder überzogen", sagte Rüdiger von Kries der FAZ. "Das Verhalten und diese Äußerungen sind nicht zu akzeptieren."

Es "geht zu weit", ein wissenschaftliches Beratergremium zu diskreditieren, weil dessen Meinung einem nicht passe. "Mich erinnert dieses Vorgehen an das Verhalten von Politikern aus Ländern, deren Politik wir im demokratischen Deutschland nicht für gutheißen." Die Eskalation Söders sei "falsch, unnötig und hilft niemandem". Von Kries forderte von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), dass er sich hinter die Kommission stellt.

Der Mainzer Kinderarzt Fred Zepp, der der STIKO seit vielen Jahren angehört, rügte in der FAZ, dass Politiker wie Markus Söder von den Wissenschaftlern verlangen, ihre Empfehlung ohne Grund zu ändern. "Das ist selbst unter Bedingungen des Wahlkampfs eine ungewöhnliche Einflussnahme von jemanden, der medizinisch nicht kompetent ist", sagte Zepp. "Wir erachten das als ein Qualitätsmerkmal, dass die Mitglieder der STIKO ihre Aufgabe ehrenamtlich erfüllen und damit nicht in Abhängigkeit gegenüber irgendwelchen Interessen geraten." Die STIKO verwahrte sich auch dagegen, dass ihre mehrfach geänderten Impfempfehlungen bei Corona von Politikern als Willkür ausgelegt werden.

"Die im Zeitverlauf erfolgten Änderungen der Covid-19-Impfempfehlung der STIKO sind auch kein Hin und Her, sondern Ausdruck der sorgfältigen Analyse sich stetig verändernder und neu hinzukommender wissenschaftlicher Erkenntnisse, die angesichts der Dynamik der Forschung zu Covid-19 in rascher Folge veröffentlicht werden", heißt es in dem Papier.

Foto: Impfkabine (über dts Nachrichtenagentur)

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