Potsdam - Vor dem Start des Weltklimagipfels in Glasgow hat Klimaforscher Ottmar Edenhofer vor einer weit drastischeren Erderwärmung als bislang befürchtet gewarnt. "Die Emissionen steigen weiter jedes Jahr, und zwar dramatisch", sagte der Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Die aktuelle Gaspreis-Krise beschere der Kohle ein Comeback. "Das heißt: Wir steuern nicht auf 2,7 Grad zu, sondern auf vier Grad, und damit auf eine nicht mehr zu beherrschende Erderwärmung, die übrigens auch rein wirtschaftlich wirklich verheerend wäre." Die 2,7-Grad-Prognose hatte zuvor das UN-Klimasekretariat abgegeben. Diese sei allerdings höchst fraglich, denn bei 2,7 Grad bleibe es nur, wenn alle Länder ihre freiwilligen Verpflichtungen einhielten.

"Danach sieht es gerade aber überhaupt nicht aus", sagte Edenhofer. Auf dem Pariser Klimagipfel vor sechs Jahren hatte sich die Staatengemeinschaft dem Ziel verpflichtet, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. "Wir müssen den Realitäten klar ins Auge schauen. Wir haben schon vor fünf Jahren auf die Renaissance der Kohle hingewiesen, das wollte die Politik nicht hören. Jetzt stecken wir mittendrin", sagte Edenhofer weiter.

Trotzdem sei es noch nicht zu spät. "Nur ein globaler Kohleausstieg kann uns vor dem Verderben bewahren, nur der würde es ermöglichen, die 1,5 Grad noch einzuhalten." Blieben hingegen alle schon gebauten Kohlekraftwerke in Betrieb, und werden die schon geplanten in Betrieb genommen, würden allein sie das CO2-Budget aufbrauchen, das der Erde noch zustehe, um die Schwelle nicht zu überschreiten.

"Ohne baldigen Kohleausstieg wird sich die 1,5-Grad-Tür für immer schließen." Trotz seiner düsteren Analyse stünden die Chancen für eine Dreier-Initiative von EU, USA und China "gar nicht so schlecht", so Edenhofer. Die USA wollten bis 2050 CO2-neutral werden, und China wolle kein Geld mehr in Kohlekraftwerke im Ausland stecken, was die Emissionen schon substanziell senken könne. Und die EU habe mit dem Green Deal das bisher ambitionierteste Paket geschnürt.

"Wenn diese drei Wirtschaftsmächte EU, USA und China einen Klimaschutz-Bund gründen, sich auf CO2-Mindestpreise einigen und auch Indien, Russland und Japan ins Boot holen, dann hat man schon zwei Drittel der globalen Emissionen unter einem Regime. Dann wären wir einen riesigen Schritt weiter!", sagte der PIK-Direktor. Deutschland und die EU müssten "ganz schnell" Gespräche über ein gemeinsames Instrumentarium starten. Glasgow wäre dafür "womöglich ein guter Ort", so Edenhofer.

Die alte Klimarahmenkonvention reiche nicht aus, um das Ziel rechtzeitig zu erreichen. "Wir brauchen zusätzlich ein neues Format. Der Kern kann ein G-3-Club aus China, USA und EU werden, das könnte auch an die G7 und die G20 andocken. Und da hoffe ich, dass die neue Bundesregierung schnell aktiv wird."

Foto: Tagebau Hambach (über dts Nachrichtenagentur)

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