Berlin - Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft, warnt mit Blick auf die Corona-Situation im kommenden Herbst vor Alarmismus. "Wir gehen zuversichtlich in den Herbst hinein, dass es nicht zur Überlastung kommen wird", sagte er der "Welt" (Donnerstagausgabe).

"Wir gehen davon, dass wir bereits jetzt durch die Durchimpfung der Risikogruppen einen großen Schutz vor schweren Erkrankungen erzielt haben." Bereits jetzt habe sich durch die erreichte Impfquote der Zusammenhang zwischen mehr Infektionen und gleichermaßen mehr Krankenhausbelegungen und Todesfällen deutlich entkoppelt, so Gaß weiter. "Ein Wiederanstieg der Inzidenz im Herbst wird nicht dazu führen, dass ebenso wie in den ersten drei Wellen die Krankenhäuser volllaufen werden." Eine gewisse Zurückhaltung beim Impfen sei nur bei den Gruppen zu beobachten, die nach einer Corona-Infektion deutlich weniger schwere Krankheitsverläufe zu erwarten hätten.

"Die Risiken sind massiv ungleich verteilt. Wir müssen jetzt schrittweise von der kollektiven zur individuellen Verantwortung kommen." Zur Vermutung des Bundesrechnungshofs, dass manche Kliniken absichtlich zu hohe Auslastungen der Intensivkapazitäten gemeldet haben könnten, um Ausgleichszahlungen für freigehaltene Krankenhausbetten zu erhalten, sagte Gaß: "Hier wird ein Generalverdacht gegen Krankenhäuser erhoben, für den es keine Begründung gibt. Das weise ich deutlich zurück."

Der Volkswirt und Soziologe spricht sich gegen eine Impfpflicht für das Gesundheitspersonal aus. In drei Viertel der Krankenhäuser liege die Impfquote unter den Ärzten und Pflegern bei 80 bis 90 Prozent. "Es ist die Aufgabe der Politik und Arbeitgeber, durch weitere Aufklärungsarbeit die individuellen Sorgen zu nehmen, um überall eine sehr hohe Impfquote zu erreichen." Ärztepräsident Klaus Reinhardt will dagegen Impfanreize setzen, indem man Ungeimpften ab Herbst keine kostenlosen Corona-Tests mehr anbiete. "Wenn bis zum Ende des Sommers alle die Chance für eine vollständige Impfung bekommen haben, ist es angemessen, dass Ungeimpfte Schnell- oder PCR-Tests selbst bezahlen müssen, wenn sie in den Urlaub fahren, ins Restaurant oder ins Kino gehen wollen", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben).

"Es darf eben am Ende nicht so sein, dass die Gemeinschaft für den Impfunwillen Einzelner aufkommen muss", sagte er. Die Politik sollte schon jetzt klarstellen, "dass es auf Dauer immer mehr Nachteile für Ungeimpfte geben wird", so der Ärztepräsident. Reinhardt plädierte zudem dafür, die Informationskampagne der Bundesregierung für Corona-Impfungen auszuweiten. "Wir benötigen eine umfassende Aufklärungskampagne zum Impfen in allen Medien, in der gezielt Vorurteile und Falschbehauptungen aufgegriffen und richtig gestellt werden", forderte er.

Foto: Vollbesetzte U-Bahn während der Corona-Pandemie (über dts Nachrichtenagentur)

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