Berlin - Der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert sieht die geplante Mitgliederbefragung über den CDU-Vorsitz kritisch. "Leider vertagt dieses Vorgehen eher die Identifizierung und Lösung der eigentlichen Probleme", sagte er dem "Tagesspiegel".

Zugleich präjudiziere die Entscheidung über die Person die Neuaufstellung, bevor über diese Probleme überhaupt gesprochen worden sei. "Beides hätte ich eigentlich lieber umgekehrt gesehen." Das jetzt gewählte Verfahren begünstige zugleich eine Personalentscheidung aus der Nabelschau der Partei statt einer Orientierung an den Wählern. "Unter praktischen wie empirischen Gesichtspunkten spricht manches dafür, dass die Delegierten eines Parteitags [...] näher an der Wählerschaft sind als die Mitglieder", sagte Lammert, der mittlerweile die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung leitet.

Delegierte müssten sich selber Wahlen stellen, während "die Mehrheit der Mitglieder politisch eher inaktiv" sei. Zwischen den Erwartungen von Mitgliedern und Wählern bestünden aber "zum Teil beachtliche Unterschiede", so Lammert. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe sich etwa in der Familienpolitik oder beim Umgang mit Migration deutlich von den eigenen Mitgliedern entfernt. Eine Studie der Stiftung habe aber gezeigt, dass sie damit zugleich große Zustimmung unter Wählern gefunden habe.

"Leicht zugespitzt gesagt: Hätte sich die Vorsitzende als Kanzlerin so verhalten, wie es die Mehrheit der Unionsmitglieder von ihr erwartete, wäre sie mit hoher Wahrscheinlichkeit längst nicht mehr im Amt gewesen."

Foto: Norbert Lammert (über dts Nachrichtenagentur)

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