Berlin - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gerät nach seinem Rückzieher bei der geplanten freiwilligen Isolation von Corona-Infizierten immer mehr unter Druck. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) warf dem Minister eine "kommunikative Fehlleistung" vor.

Die Entscheidung sei gemeinsam von Bund und Ländern in der Gesundheitsminister-Konferenz getroffen worden, sagte Bovenschulte der "Welt". Dies könne man nicht kurz darauf in einer Talkshow korrigieren. Das Vertrauen der Bevölkerung werde so beschädigt. Die Wankelmütigkeit des Bundesgesundheitsministers sei "irritierend", so der Bürgermeister.

"So etwas darf nicht passieren. Wenn Herr Lauterbach gemeinsame Entscheidungen neu diskutieren will, sollte er das auf einer Gesundheitsministerkonferenz tun." Scharfe Kritik äußerte auch Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP). Er sprach am Mittwoch von einem "chaotischen wie unprofessionellen Hin und Her", welches die Glaubwürdigkeit von und das Vertrauen in Politik massiv beschädige.

"Wenn die Gesundheitsminister aller Länder einen inhaltlichen Vorschlag des Bundesgesundheitsministers und des RKI, der zudem von den Fachebenen aller 16 Bundesländer seit Anfang des Jahres erarbeitet wurde, am Montag einstimmig annehmen, und dieser Vorschlag durch den Bundesgesundheitsminister selbst 24 Stunden später in einem seiner zahlreichen Talkshowauftritte wieder zurückgenommen wird - dann wirft das die Frage der Durchsetzungs- und Kommunikationsfähigkeit des Ministers auf", so Garg. Die wichtigste Frage sei aber, welche fachlichen Gründe auf einmal gegen den gemeinsamen Vorschlag sprechen. "Herr Lauterbach muss viel erklären - und das nicht erst zur nächsten GMK kommenden Montag", so der FDP-Politiker. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) übte scharfe Kritik.

Ob dieses Vorgehen zur Akzeptanz von Maßnahmen bei den Bürgern beitrage, müsse die Politik beurteilen, sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KBV, Stephan Hofmeister, dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Auf jeden Fall sollten Maßnahmen "klar, verständlich und transparent" sein - "und nicht tagtäglich durch Ankündigungen wechseln". Der Fakt sei: "Wir müssen als Gesellschaft lernen, mit Corona zu leben, denn das Virus wird nicht wieder einfach verschwinden." Der erste Vorsitzende der KBV, Kassenärzte-Chef Andreas Gassen, zeigte sich irritiert von Lauterbachs Ankündigung im ZDF. "Mit Überraschung haben wir die Kehrtwende des Bundesgesundheitsministers zur Kenntnis genommen", sagte Gassen dem RND. "Nachdem er die Medien am Vormittag über die Pläne einer generellen Freiwilligkeit einer Isolation im Infektionsfalle informiert hatte, nahm er diese Ankündigung wenige Stunden später abends bemerkenswerterweise bei einer Talkshow wieder zurück."

Lauterbach hatte am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" angekündigt, dass es die eigentlich ab dem 1. Mai geplante freiwillige Isolation von Corona-Infizierten nun doch nicht geben soll. Die Isolation soll stattdessen weiter von den Gesundheitsämtern angeordnet werden. Lauterbach hatte die neuen Quarantäne- und Isolationsregeln erst am Montag angekündigt. Im Nachhinein sei dies ein Fehler gewesen, sagte der Minister im ZDF. Der Minister verteidigte seinen Entschluss am Mittwochmittag erneut.

Durch die freiwillige Isolation sei der Eindruck entstanden, dass das Virus harmloser sei, als es tatsächlich ist, sagte er in Berlin. Er übernehme die Verantwortung dafür, eine "Fehleinschätzung" getroffen zu haben.

Foto: Karl Lauterbach (über dts Nachrichtenagentur)

Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?

Dann unterstütze dts Nachrichtenagentur jetzt direkt: