Berlin - Einer der führenden Vertreter der Oppositionsbewegung in Weißrussland hat die EU-Sanktionen gegen sein Land scharf kritisiert. "Die Sanktionen der EU reichen nicht aus, in Wahrheit haben sie überhaupt keine Wirkung. Es sind kosmetische Sanktionen, wir haben seit sechs Monaten in meinem Land eine massive Repression", sagte Pawel Latushka, der ebenso wie Swetlana Tichanowskaja dem Präsidium des sogenannten Koordinierungsrates der Protestbewegung in Weißrussland angehört, der "Welt am Sonntag".
Latushka ist im September nach einer persönlichen Drohung Lukaschenkos gegen ihn nach Polen geflohen. Der Oppositionelle war in der Vergangenheit Kulturminister und anschließend Botschafter seines Landes in Paris, Warschau und Madrid. Zuletzt leitete er das größte Theater in Weißrussland, das Nationale Akademietheater in Minsk. Erst am vergangenen Donnerstag hatte die EU ihre Sanktionen wegen des Konflikts um die Präsidentschaftswahl in Weißrussland um ein Jahr bis Ende Februar 2022 verlängert. Betroffen sind derzeit neben Lukaschenko 87 Verantwortliche für mutmaßlichen Wahlbetrug und das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten. Gegen sie wurden Einreise- und Vermögensperren verhängt. Latushka sagte weiter: "Neun Menschen wurden bisher getötet. 33.000 Personen wurden verhaftet. Mindestens 1800 Personen wurden in den Gefängnissen gefoltert." 500 Journalisten seien verhaftet worden. "Die Führer der Opposition sitzen entweder im Gefängnis oder mussten fliehen." In den Universitäten und Kliniken würden systematisch Säuberungen durchgeführt, so Latushka.
"Und es gibt schreckliche Fälle von Folterungen." So würden etwa Häftlinge in den Gefängnissen mit Gas bespritzt. Der Oppositionsführer rief die EU auf, ihre Strafmaßnahmen auf hunderte regimetreue Richter, Staatsanwälte und Ermittler auszuweiten und vor allem Wirtschaftssanktionen gegen sein Land zu beschließen: "Die EU -Länder sollten alle wirtschaftlichen Beziehungen mit Belarus einstellen. Sie sollten keine Geschäfte mit belarussischen Unternehmen mehr machen, sie sollten alle Verbindungen mit der Belarusbank kappen und nicht länger mithelfen, Anleihen zu platzieren, damit sich Lukaschenko auf den internationalen Finanzmärkten Geld beschaffen kann."
Die Menschen in Weißrussland, so Latushka, seien offen für Wirtschaftssanktionen: "Wir sind bereit, Wirtschaftssanktionen sechs oder zwölf Monate lang zu ertragen, wenn die Situation sich danach bessert. Was wir jetzt haben, ist doch viel schlimmer für die Menschen als Wirtschaftssanktionen: die permanente Verletzung rechtsstaatlicher Prinzipien." Ziel der Wirtschaftssanktionen sei es, Lukaschenko "zu zwingen, mit uns Verhandlungen aufzunehmen". Latushka warf der EU, dass ihr der "politische Wille" für mehr Engagement fehle.
"In diesem Frühling wird das entscheidende Gefecht sein". Es werde nicht einfach werden. "Wir brauchen Europas Unterstützung."
Foto: Weißrussland (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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