Berlin - In der Wirtschaft wird die Reform des Patentrechts, die am Freitag im Bundestag beschlossen werden soll, unterschiedlich bewertet. "Das deutsche Patentrecht ist endlich im 21. Jahrhundert angekommen", sagte Ludwig von Reiche, Sprecher der deutschen Gruppe der Initiative IP2Innovate, dem "Handelsblatt" (Dienstagausgabe).

Die Patent-Initiative, zu der unter anderem Adidas, BMW, Daimler, die Deutsche Telekom und SAP gehören, sprach von einer ausgewogenen Reform. Nun könne die Patentpraxis zu einer zeitgemäßen Balance zwischen Patentschutz und Innovationsförderung finden. Zurückhaltend äußerte sich der Verband der Chemischen Industrie (VCI), der im Gesetzgebungsverfahren keine Notwendigkeit für bestimmte Reformen gesehen hatte. "Das zähe Ringen um einen Kompromiss hat zumindest das Kräfteverhältnis zwischen Patentrechtsverletzer und Innovationsschutz wieder besser austariert", sagte VCI-Geschäftsführer Berthold Welling.

Bislang konnten Patentinhaber quasi automatisch bei Patentverletzungen einen Unterlassungsanspruch geltend machen. Das rief jedoch Patenttrolle auf den Plan, die mit dem Druckmittel der Unterlassung und damit eines Produktionsstopps hohe Lizenzzahlungen eintreiben wollten. Werden Patentrechte missbräuchlich eingesetzt, soll nun künftig ein Unterlassungsanspruch ausgeschlossen werden können. Gerichte würden demnach Verhältnismäßigkeitsprüfung durchführen.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) begrüßte das Bestreben, schärfer gegen den Missbrauch des Patentrechts durch sogenannte Patenttrolle vorzugehen, etwa im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung solle ein "selbstverständliches Element des patentrechtlichen Prozesses werden, ohne dass diese Prüfung die Patentportfolien der Industrie in ihrem Wert beeinträchtigt". Der Volkswagen-Konzern sprach von einem "klaren Signal" gegen sogenannte Patenttrolle. "Die Praxis muss dann zeigen, inwieweit die deutschen Gerichte diese Chance aufgreifen werden", erklärte VW. Der deutsche Mittelstand hofft mit Blick auf die juristische Bewertung eines Patentes auf einen "gewissen Interpretationsspielraum" für die Gerichte, damit näher beleuchtet werden könne, welche Nachteile für den Patentinhaber durch die Patentverletzung tatsächlich entstehen.

"Die jetzige Formulierung der ‚nicht gerechtfertigten Härte‘ im Gesetzesentwurf erfüllt diese Bedingung aus unserer Sicht nur zum Teil", sagte Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) dem "Handelsblatt".

Foto: Justicia (über dts Nachrichtenagentur)

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