Berlin - Im Vorfeld des "Wirtschaftsgipfels", den Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für kommenden Dienstag angekündigt hat, plädieren Ökonomen vor allem für eine schnellere Auszahlung der staatlichen Unterstützung und eine Ausweitung der Hilfszahlungen. Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Wirtschaftsforschungsinstituts IMK, sagte, dass die von der Bundesregierung beschlossenen Überbrückungshilfen für vom Lockdown betroffene Unternehmen "nur einen Teil der Fixkosten und keinen Unternehmerlohn abdecken".
Dadurch würden vor allem kleinere Unternehmen Eigenkapital verlieren, sagte Dullien dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben). "Hier kann es notwendig und sinnvoll sein, noch einmal mit Hilfen nachzulegen. Es geht hier darum, Insolvenzen zu vermeiden, damit die Wirtschaft nach Ende des Lockdowns schnell wieder auf das Vorkrisenniveau zurückkehren kann. Dafür ist es wichtig, jetzt Betriebsstrukturen zu erhalten", so der IMK-Chef.
Besonders betroffen seien neben dem Einzelhandel auch der Freizeitbereich, kontaktintensive Dienstleistungen wie das Friseurgewerbe und die Gastronomie. Für Dullien ist besonders wichtig, dass sich anders als im Frühjahr 2020 derzeit nicht andeute, dass das verarbeitende Gewerbe in den Partnerländern zwecks Infektionsschutz behördlich geschlossen werden könnte. Damals brachen Lieferketten zusammen. Die Industrie war seinerzeit nach IMK-Berechnungen für zwei Drittel des wirtschaftlichen Einbruchs verantwortlich.
Der Ökonom räumte allerdings mit Blick auf die aktuelle Lage der Autoindustrie ein: "Schwierigkeiten könnte es geben, wenn Autohäuser länger geschlossen bleiben müssen, weil dann Neubestellungen für Autos ausbleiben könnten", so Dullien. Indes besteht für Hubertus Barth vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ein Hauptproblem darin, dass bislang nur ein Bruchteil der versprochenen Hilfen bei den betroffenen Unternehmen angekommen ist: "So wurden nach unseren Berechnungen von den angekündigten Novemberhilfen in Höhe von 15 Milliarden Euro erst drei Milliarden an die Firmen überwiesen", sagte Barth dem RND. Es dreht sich dabei um staatliche Unterstützung für Betriebe, die schon im November schließen mussten. Nachdem im Frühjahr vorigen Jahres finanzielle Hilfen zunächst zügig zur Verfügung gestellt wurden, kam es jedoch zu einzelnen Missbrauchsfällen und Rückforderungen. "Die Prüfschritte bei den aktuellen Hilfen sollen das verhindern. Das geht aber stark zu Lasten der Geschwindigkeit", erläutert der Wissenschaftler.
"Es wird zwar den Richtigen geholfen, aber zu spät." Das Wichtigste sei jetzt, dass die Umsetzungsprobleme in der Verwaltung schnell beseitigt werden ohne die Rechtssicherheit zu gefährden, sagte der IW-Chef. "Die Geschwindigkeit muss erhöht werden, denn je länger sich Auszahlungen verzögern, umso größer sind die Schäden für die Unternehmen."
Barth betonte weiter: "Grenzschließungen oder auch nur verstärkte Kontrollen an den Grenzen sind extrem problematisch, da die europäischen Lieferketten sonst anfällig für Störungen sind. Da können schon Schnelltests an der Grenze für längere Staus sorgen, die dann dazu führen, dass Waren nicht mehr rechtzeitig ankommen und die Just-in-Time-Produktionsprozesse der Industrie gefährdet sind."
Foto: KFW (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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