Berlin - In der politischen Debatte über eine sogenannte Übergewinnsteuer streiten Ökonomen über den Nutzen einer solchen Abgabe. "Wir müssen damit rechnen, dass wir gegen Ende des Jahres ein neues Entlastungspaket brauchen werden, weil die Preise weiter steigen", sagte Jens Südekum, Wirtschaftsprofessor an der Universität Düsseldorf, dem "Spiegel".
"Wer da eine Übergewinnsteuer kategorisch ablehnt, muss wenigstens einen anderen Vorschlag machen, wie er das finanzieren will." Südekum schlägt vor, eine neue Steuer mit dem zu erwartenden Entlastungspaket zu verbinden. Um herauszufinden, wer vom Krieg in der Ukraine und der Energiepreiskrise übermäßig profitiert habe, ließe sich ähnlich vorgehen wie beim Hilfspaket für Unternehmen, mit dem die Bundesregierung besonders betroffenen Firmen mit Zuschüssen und Krediten zur Seite springen will. "Wenn es möglich ist, differenzierte Subventionen zu verteilen, sollte es doch auch möglich sein, differenziert zu besteuern", sagt Südekum.
"In anderen Ländern geht das doch auch." Stefan Bach, Ökonom und Steuerexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), bremst allerdings die Erwartungen. "An die großen Umsätze und Gewinne der Erdölförderer kommt man nicht heran, weil diese im Ausland anfallen", sagte Bach dem "Spiegel". Zudem warnt er vor Kollateralschäden.
Höhere Steuern könnten dazu führen, dass Unternehmen weniger produzieren. Bach hält es auch juristisch für zweifelhaft, einer einzelnen Branche eine Sondersteuer aufzubrummen. "Im Rahmen des bestehenden Steuerrechts ist eine Sondersteuer nur für Energieunternehmen ziemlich heikel - dazu müsste wohl das Grundgesetz geändert werden", so der Steuerexperte. Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) hat sich ebenfalls in die Debatte eingeschaltet.
"Die Mineralölkonzerne verdienen sich derzeit schlicht und ergreifend eine goldene Nase", sagt Bovenschulte der "Welt". "Die in den letzten Wochen massiv gestiegenen Preise an den Zapfsäulen lassen sich ganz sicher nicht mit der Entwicklung der Rohöl-Preise erklären." Bovenschulte will deshalb bereits am kommenden Freitag im Bundesrat im Rahmen einer entsprechenden Gesetzesinitiative über die Einführung einer "Übergewinnsteuer" abstimmen lassen. Es gebe derzeit "einige wenige Unternehmen, die sich aufgrund der aktuellen Lage massiv bereichern."
Es sei "eine Frage der ökonomischen Vernunft und der Fairness, sich zumindest einen Teil dieser Sonderprofite zurückzuholen, um sie für die Finanzierung der notwendigen Entlastungspakete zu nutzen". Bovenschulte sagte weiter: "Mit Sozialismus hat das nichts zu tun. Die Übergewinnsteuer ist im Kern ein ordoliberales Instrument, mit dem bestimmte negative Auswüchse der Marktwirtschaft eingehegt werden können, nicht mehr und nicht weniger." Welche Unternehmen genau die geplante Zusatzsteuer bezahlen sollen, soll laut Bovenschulte erst am Ende des Jahres 2022 festgelegt werden.
Denn erst dann sei klar, "welche Unternehmen in der genannten Art und Weise profitiert haben, und dann wird abgerechnet". Er schließe dabei nicht aus, "dass auch noch andere Branchen den Krieg gegen die Ukraine nutzen, um Preiserhöhungen durchzusetzen und die eigenen Profite zu maximieren". Auch diese Betriebe sollten gegebenenfalls zur Zahlung der Übergewinnsteuer herangezogen werden.
Foto: Tankstelle im März 2022 (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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