Warschau - Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki will eine Verdoppelung des EU-Wehretats. "Die EU sollte ihre Verteidigungsausgaben verdoppeln - von jetzt rund 300 Milliarden Euro auf 500 bis 600 Milliarden Euro. Das ist nicht unmöglich", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Sonntagausgaben) und der französischen Zeitung "Ouest-France".
Und weiter: "Ich habe auf der Tagung des Rates der Europäischen Union vorgeschlagen, eine sehr starke europäische Armee aufzubauen, die in die NATO integriert ist." Es wäre wünschenswert, dass die Verteidigungsausgaben aus der im Maastricht-Vertrag festgelegten Obergrenze von drei Prozent Neuverschuldung herausgenommen würden, so der polnische Regierungschef. "Nur so kann die EU ein `global player` werden." Polen werde zwischen drei und vier Prozent seiner Wirtschaftsleistung für den Wehretat reservieren und dadurch möglicherweise gegen die EU-Schuldenregeln verstoßen, so Morawiecki. "Aber wir dürfen nicht dafür bestraft werden, dass wir Deutschland, Österreich und andere Länder gegen ein aggressives Russland verteidigen, das in die EU und in die Ostflanke der NATO eindringen will." Auch Deutschland und Frankreich sollten drei bis vier Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben: "Das wäre natürlich die am besten geeignete Lösung", so der polnische Regierungschef. "Es ist äußerst wichtig, den militärischen Aspekt unserer Sicherheit zu stärken, wenn wir die Realität dieses schockierenden Angriffs sehen." Für eine massive Aufstockung des Verteidigungsbudgets bilde sich angesichts der Bedrohung durch Russland eine "kritische Masse" heraus. Die baltischen Länder seien ebenso dafür wie Polen, Ungarn, Rumänien und die Slowakei. "Und es gibt auch positive Signale aus anderen Staaten", so Morawiecki. Er verlangte zudem eine massive Aufstockung von NATO-Truppen an der Ostflanke.
"Allein für Polen würden wir uns 20.000 bis 30.000 zusätzliche NATO-Soldaten wünschen - über die bereits 6.000 vorhandenen Kräfte hinaus. Aber auch Litauen, Lettland und Estland brauchen Unterstützung", sagte Morawiecki. Alle Länder der NATO-Ostflanke sollten durch die Entsendung von Truppen und den Aufbau von Militärgerät deutlich gestärkt werden. "An der Ostflanke der NATO droht die wirkliche Gefahr. Finnland gehört nicht zur NATO und ist ebenfalls sehr stark bedroht. Hier verteidigen wir die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die territoriale Integrität in Europa", so Morawiecki.
Enttäuscht zeigte sich Morawiecki von Deutschlands Weigerung, Defensivwaffen an die Ukraine zu liefern. "Deutschland war - milde gesagt - nicht großzügig genug, um die Ukraine mit irgendeiner Art von Waffen auszustatten. Die Waffen haben doch nur den Zweck, dass die Ukraine ihre eigene Freiheit und Demokratie verteidigen kann. Hier hat Deutschland leider versagt."
Foto: Mateusz Morawiecki vor einer EU-Fahne (über dts Nachrichtenagentur)Dir gefällt, was dts Nachrichtenagentur schreibt?
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